13.05.2015

Unternehmenskultur-Entwicklung durch transformationale Führung

Wer sich mit Unternehmenskultur und Unternehmenskulturentwicklung befasst, setzt sich zwangsläufig auch mit dem Einfluss der Führungspersonen auf das Klima im Unternehmensalltag auseinander. Dabei spielt die konkret gelebte Führungspraxis in mehrfacher Hinsicht eine absolut zentrale Rolle. Auf der einen Seite widerspiegelt sie einfach einmal die aktuelle Unternehmenskultur – sie ist quasi ein fester Bestandteil davon. Auf der andern Seite jedoch scheint der in einer Organisation vorherrschende Führungsstil die Erfolgschancen bei der Umsetzung eines angestrebten Kulturentwicklungsprozesses entscheidend zu beeinflussen. Je nachdem wie geführt wird, scheint auch die Offenheit des ganzen sozialen Systems für einen umfassenden Change-Prozess sehr unterschiedlich gross zu sein.

Wie wir auf das Thema gestossen sind

Vor etwa einem Jahr durften wir Ihnen an dieser Stelle unseren modular aufgebauten Instrumentenkoffer WOK© zur Analyse und Entwicklung der Unternehmenskultur vorstellen. In der Zwischenzeit haben wir damit weitere Erfahrungen sammeln und neue Erkenntnisse gewinnen können. So haben wir beispielsweise weitere Pilotprojekte durchgeführt, im Rahmen von Inhouse-Veranstaltungen intensive Fachdiskussionen geführt und einen regen Gedankenaustausch mit zahlreichen HR-Experten und weiteren Interessenten gepflegt. Dabei stehen für uns heute die folgenden zwei Gedanken im Zentrum unseres Interesses:
  • Obwohl es natürlich unterschiedliche Gründe dafür gibt, weshalb sich nicht alle Unternehmen gleich offen und motiviert an umfassende Change-Projekte heranwagen und diese dann auch mehr oder weniger erfolgreich umsetzen, hat sich dabei ein Aspekt als absolut matchentscheidend herausgestellt: Die Frage nämlich nach der organisationalen Energie, die in einem Unternehmen herrscht. Gemeint ist damit „die Kraft, mit der ein Unternehmen zielgerichtet Dinge bewegt.“ Dabei zeigt die Stärke dieser Energie, „in welchem Ausmass ein Unternehmen sein emotionales, mentales und verhaltensbezogenes Potenzial für die Verfolgung seiner Ziele mobilisiert hat.“ [1] 
  • Dass diese organisationale Energie zu einem grossen Teil durch die aktuell gelebte Führungskultur mitbeeinflusst wird, erstaunt nicht wirklich. Besonders spannend finden wir aber den in diesem Zusammenhang – sowohl in der Fachliteratur als auch im Rahmen der geführten Fachgespräche – immer wieder auftauchenden Begriff der transformationalen Führung und den Hinweis darauf, dass dieser Führungsstil am besten dazu geeignet scheint, um diese organisationale Energie innerhalb eines Unternehmens zu fördern und zu stärken.

Transformationale Führung 

Für uns ist dies Grund genug, um diesen Führungsansatz etwas genauer unter die Lupe zu nehmen: Dabei wird das Verständnis für dessen Kerngedanken erleichtert, wenn man ihn in den Kontext seiner Entstehung stellt. Es handelt sich dabei nämlich um eine Erweiterung des Konzeptes der transaktionalen Führung. Während eine transaktional handelnde Führungsperson sich an den Bedürfnissen und Motiven ihrer Mitarbeitenden orientiert und diese dafür belohnt, wenn sie die Zielvereinbarungen einhalten, bestimmte Verhaltensregeln befolgen und die erwartete Leistung erbringen, geht die transformationale Führung einen Schritt weiter. Denn es geht hier nicht mehr um eine Belohnung mit äusseren Anreizen, sondern vielmehr um einen inneren Transformationsprozess, der letztlich von allen Beteiligten angestrebt werden soll. Aber was genau soll denn eigentlich transformiert werden?

In der Fachliteratur wird in diesem Zusammenhang häufig darauf verwiesen, dass das Bewusstsein und das Verhalten der Mitarbeitenden und der Kollegen/Kolleginnen in Richtung eines neuen, höheren Niveaus verändert (oder eben transformiert) werden soll. Transformationales Führungsverhalten verdeutlicht demnach den Sinn und die Bedeutung der gemeinsamen Ziele und Ideale. Führungskräfte und Mitarbeitende sind damit gleichermassen herausgefordert, inspiriert und motiviert, einen sinnvollen Beitrag zum Erfolg der Organisation und somit zur Verwirklichung der gemeinsamen Mission zu leisten. Mit anderen Worten: Transformationale Führungskräfte verstehen es, Begeisterung und Zuversicht zu erzeugen, sie können andere mitreissen; sie werden als Vorbilder wahrgenommen und vermitteln bei ihren Mitarbeitenden ein Gefühl des Stolzes und der Wertschätzung.

Der Zusammenhang zwischen transformationaler Führung und emotionaler Intelligenz

Guckt man sich die verschiedenen Beschreibungen des transformationalen Führungsprozesses einmal genauer an, dann erinnert dies in mancher Hinsicht an die Gedanken über emotional intelligente Führung von Daniel Goleman, die er nicht primär in seinem Bestseller über emotionale Intelligenz, sondern vielmehr in einem ein paar Jahre später erschienenen Buch zur emotionalen Führung fundiert geschildert hat.[2]: So beschreibt er dort, wie enorm wichtig der Einbezug der emotionalen Realität einer Organisation ist, wenn man deren Kultur weiterentwickeln will. Nur wenn Menschen über ihre Gefühle sprechen, erkennen sie die wahren Ursachen der Probleme einer Kultur und die wahren Inspirationsquellen in ihrer Umgebung. Und wenn Menschen authentische Gespräche über ihre Gefühle in Bezug auf die Organisation führen, sind sie sich meist darüber einig, was funktioniert und was nicht. Die Leute fangen an, ein Bild von „der Seele der Organisation“ zu zeichnen. Sie entwickeln eine Sprache, mit welcher sie die Kräfte definieren können, die sich auf den Arbeitsalltag der Menschen in der Organisation und auf ihre Hoffnungen für die Zukunft auswirken.

Das enorm hohe Potenzial dieser Herangehensweise sehen wir vor allem darin, dass hier die emotionale Welt ganz bewusst sowohl als riesige Energiequelle als gleichzeitig auch als Lieferant von wertvollen Informationen wahrgenommen wird. Auf einen Nenner gebracht: Emotion = Energie und Information. Emotionale Intelligenz entspricht dann der Fähigkeit, die erhaltene Information zu verarbeiten und die zur Verfügung stehende Energie gezielt einzusetzen.

Genau um dies geht es unseres Erachtens auch bei der transformationalen Führung, wobei wir hier zum Schluss noch folgende Anmerkung anbringen möchten: Innovation und Entwicklung von Menschen und Organisationen ist vor allem dann möglich und wird dann gefördert, wenn sich Menschen geborgen fühlen und wenn sie gleichzeitig dazu ermutigt werden, zu wachsen – d. h. ihre eigene Komfortzone zu verlassen, um Neues zu erkunden. Die Führungskräfte sind dabei besonders gefordert in ihrer Empathiefähigkeit sowie in ihrer Kompetenz, ihre eigene Schaffenskraft gezielt zu nutzen und darin auf ihr Umfeld ansteckend zu wirken.





Bob Schneider


Das iek bietet diesen Herbst zwei öffentliche Seminare zum Thema „Transformationale Führung und EQ“ an. Weitere Informationen und Anmeldung bitte direkt an bob.schneider@iek.ch / 031 333 42 33.

[1] Bruch, Heike und Vogel, Bernd: Organisationale Energie, Gabler Verlag, Wiesbaden, 2009

[2] Goleman, Daniel: Emotionale Führung, Econ Ullstein List Verlag, München, 2002