29.02.2012

Emotionale und soziale Kompetenz: Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Dass diese beiden Kompetenzen Gemeinsamkeiten aufweisen, erscheint klar: Intuitiv weiss man, dass jemand ohne diese Kompetenzen bei der Realisierung von beruflichen und privaten Lebenszielen erhebliche Schwierigkeiten hat. Beide Kompetenzen sind nicht unbedingt genetisch determiniert, sondern werden im Laufe des Lebens erworben, modifiziert und ausgebaut. Die Grundlage für diese Kompetenzen wird, wie für vieles andere, in jungen Jahren gelegt. Man weiss heute, dass die Fähigkeit zur Beziehungsgestaltung – ein zentrales Element für das Wohlbefinden in unseren Leben - beeinträchtigt wird, wenn diese Grundlage fehlt. Glücklicherweise ist unser Gehirn wandelbar und wir lebenslang lernfähig. So können Defizite durch Selbstreflektion, Feedback und anhand konkreter Erfahrungen ausgeglichen werden.

Andere bemerkenswerte Ähnlichkeiten werden ersichtlich, wenn man die wissenschaftlichen Definitionen von Thorndike (1920) zu sozialer Intelligenz (wird häufig als Synonym verwendet für soziale Kompetenz) und die Definition emotionaler Intelligenz (wird häufig als Synonym verwendet für emotionale Kompetenz) von Mayer et al. (2000) betrachtet: Während soziale Intelligenz hier beschrieben wird als die Fähigkeit, andere zu verstehen und in interpersonalen Beziehungen klug zu handeln, bezieht sich emotionale Intelligenz auf die Wahrnehmung und den Ausdruck von Emotion, auf das Verstehen sowie auf die Regulation von Emotionen bei sich selbst und bei andern.

Beide Definitionen beinhalten sowohl kognitive als auch verhaltensbezogene Kompetenzen, wobei sich einige Prozesse auch überlappen. Zum Beispiel bedeutet die Fähigkeit, Emotionen anderer beeinflussen zu können auch die Kompetenz, seine eigenen zu regulieren, indem man eine Strategie auswählt und sich entsprechend darauf einstellt.

Ich möchte hier keine wissenschaftlichen Definitionsfragen erörtern, trotzdem aber aus Sicht des iek Stellung beziehen:

Unserer Auffassung nach bildet die emotionale Kompetenz die Grundlage der sozialen Kompetenz. Folgende Überlegungen stehen dahinter: Solange man sich seiner eigenen Gefühle nicht gewahr ist, keinen Zugang dazu hat und sie nicht in einer angemessenen Form regulieren kann, ist man auch nicht wirklich dazu in der Lage, in einem sozialem Kontext die Gefühle anderer zu erkennen und zu regulieren. Das heisst: ohne emotionale Kompetenz gibt es keine soziale Kompetenz.

In unserem Kompetenzmodell sind wir sogar noch einen Schritt weitergegangen und haben die soziale Kompetenz als einen Teilaspekt emotionaler Kompetenz beschrieben. Mehr dazu erfahren Sie unter → www.iek.ch/about/pdf/kompetenzmodell.pdf .

Bis bald

Ursula Stalder

EQ-Blog@iek.ch

15.02.2012

Emotionen – erleiden oder erleben?

Woran liegt es, ob wir einer Emotion passiv ausgeliefert sind oder ob wir sie bewusst und aktiv erleben – vielleicht sogar beeinflussen können? Gibt es einfach verschiedene Arten von Emotionen, die sich nicht alle gleich verhalten? Oder liegt es am Ende vielleicht auch ein bisschen an uns selbst?

Daniel Goleman hat den Begriff der emotionalen Intelligenz in den 90er Jahren so richtig populär gemacht und damit auch – zumindest indirekt - die wissenschaftliche Forschung beeinflusst bzw. deren wachsendes Interesse an dieser Thematik mit verursacht. So häufen sich erfreulicherweise seit einigen Jahren die Forschungsbeiträge rund um das Thema der emotionalen Welt. Doch gleichzeitig fällt die Bilanz heute noch ernüchternd aus. Aaron Ben-Ze’ev, ein führender Emotionsforscher, schätzt die aktuelle Situation beispielsweise wie folgt ein: „Emotionen spielen zwar eine zentrale Rolle in unserem Leben und sind für alle von Interesse. Gleichwohl gehören die Natur, die Ursachen und die Folgen von Emotionen zu den am wenigsten verstandenen Aspekten menschlicher Erfahrung“ (aus: Die Logik der Gefühle. Kritik der emotionalen Intelligenz, Suhrkamp, 2009).

Während die gegenwärtige wissenschaftliche Debatte über das, was Gefühle sind, stark von der aktuellen Hirnforschung dominiert wird, eröffnet ein zusätzliches Sich-Einlassen auf ältere philosophische Schriften einen überaus spannenden Einblick in Fragestellungen und Aussagen von überraschender Aktualität:

Eine der zentralen philosophischen Fragestellungen im Zusammenhang mit Emotionen besteht im sogenannten „Zurechnungsproblem“. So ist es unklar, ob wir einem Menschen eine Emotion als etwas zuschreiben können, das er irgendwie lenken oder kontrollieren kann und für das er letztlich auch die Verantwortung zu tragen hat. Emotionen haben diesbezüglich einen ziemlich ambivalenten Charakter. Einerseits scheinen sie Phänomene zu sein, die wir in der Tat steuern können, indem wir sie gezielt in uns entfachen oder mässigen. So können wir uns zum Beispiel ganz bewusst ein bestimmtes Musikstück anhören, von dem wir aus Erfahrung wissen, welche Emotion es in uns auslösen wird. Oder wir können zur Zeitung greifen und so viele Artikel wie möglich über exorbitante Managerlöhne lesen, bis wir zornig werden und zu schimpfen beginnen. Wir können aber auch versuchen, die komplexen ökonomischen Zusammenhänge zu verstehen und dadurch unseren Zorn allenfalls zu mässigen, oder wir können ganz einfach unsere Aufmerksamkeit wieder einem andern Thema zuwenden und dadurch ebenfalls unseren emotionalen Zustand verändern. Andererseits gibt es aber auch Emotionen, die uns quasi überfallen und die wir nicht beeinflussen können. Wer sich Hals über Kopf verliebt hat, wird von einem stürmischen Gefühl gepackt, das sich durch keine rationale Überlegung mässigen oder gar tilgen lässt – man ist diesem Gefühl einfach ausgeliefert.

Wie können aber Emotionen etwas sein, das wir einerseits aktiv hervorbringen und steuern können, andererseits aber auch etwas, das wir passiv erfahren und das uns geradezu überfällt? Gibt es zwei Arten von Emotionen – aktive und passive? Oder haben alle Emotionen einen aktiven und einen passiven Aspekt? Und wofür können wir verantwortlich gemacht werden: nur für die Emotionen, die wir selber steuern können? Doch wie weit reicht die Steuerbarkeit? Können wir quasi auf Knopfdruck den Zorn mässigen oder gar abstellen, indem wir eine geeignete Technik anwenden oder uns passende Gedanken machen? Oder gibt es auch hier ein Element, das der Kontrolle entzogen ist?

Stellvertretend für andere soll hier kurz am Beispiel von Baruch de Spinoza (1632-1677) aufgezeigt werden, wie man sich diesem Fragenkomplex in der Philosophie früher angenähert hat und welcher Beitrag zur aktuellen Debatte rund um die emotionale Intelligenz dadurch geleistet worden ist:

Spinoza unterscheidet grundsätzlich zwischen aktiven und passiven Emotionen, wobei er davon ausgeht, dass wir uns insofern von der „menschlichen Knechtschaft“ befreien können, als es uns gelingt, durch eigene rationale Tätigkeit aktive Emotionen hervorzubringen. Dadurch können wir die passiven Emotionen, die unwillkürlich in uns entstehen, abschwächen und im besten Fall neutralisieren. Die entscheidende Tätigkeit liegt dabei im Bilden von adäquaten Ideen und Erklärungszusammenhängen. Dazu ein Beispiel: Karl ist zunächst traurig, dass nur zwei Freunde an seiner Geburtstagsfeier erschienen sind. Dann bringt er allerdings aktiv in Erfahrung, dass die anderen geladenen Gäste leider verhindert sind, dass sie aber an ihn gedacht und sich am Geschenk beteiligt haben. Wenn Karl diese Informationen nun verbindet und einen Erklärungszusammenhang herstellt, kann er der passiven Traurigkeit eine aktive Freude entgegensetzen. Dabei liegt der entscheidende Punkt für Spinoza einzig darin, dass Karl aus seiner subjektiven Sicht in der konkreten Situation einen Erklärungszusammenhang herstellt. Selbst dann, wenn es ihm dadurch nicht sogleich gelingen sollte, eine emotionale Veränderung herbeizuführen, lohnt sich sein Aufwand, weil er sich dann nicht einfach in einem aufgezwungenen Zustand befindet, sondern einsieht, warum er sich in diesem Zustand befindet. Es macht also nach Spinoza einen entscheidenden Unterschied, ob ich einfach traurig bin und passiv darunter leide oder ob ich mich aktiv damit auseinandersetze und mir ein möglichst realistisches Bild davon machen kann, warum ich traurig bin. Wir sind zwar immer äusseren Einflüssen ausgesetzt und können uns diesen nie vollständig entziehen, aber wir haben immer auch die Möglichkeit, ihnen eine innere Aktivität entgegenzusetzen und damit unseren emotionalen Zustand zu verändern. Emotional intelligent handelt somit, wer dem passiven Erleiden von Emotionen ein aktives Generieren von neuen Emotionen entgegensetzen kann, indem er möglichst adäquate Erklärungszusammenhänge zu den passiven Emotionen bildet.

Bis bald

Bob Schneider

EQ-Blog@iek.ch

01.02.2012

Wie der EQ die Teamleistung beeinflusst

Wenn Sie den Auftrag bekommen, ein Hochleistungsteam zusammenzustellen, um ein bestimmtes Problem zu lösen, wen würden Sie auswählen? – Dem ersten Gedanken folgend, würde man wohl ein Team von ausgewiesenen Fachleuten auf ihrem Gebiet zusammenstellen. In der Interaktion und im Austausch sollen sich diese Fachleute gegenseitig anregen und weiterbringen, denn bekanntlich lebt die Gruppenleistung von Synergieeffekten, so dass 1+1=3 ergibt. Logisch, oder?

Forscher um Anita Williams Woolley* von der Carnegie Mellon University in Pittsburgh haben aber einen anderen Faktor entdeckt, der die kollektive Intelligenz von Teams stärker mitbestimmt als die durchschnittliche individuelle Intelligenz der Teammitglieder. In ihrer Untersuchung haben sie 699 Versuchsteilnehmer in kleinere Teams von zwei bis fünf Personen eingeteilt und ihnen diverse Aufgaben gestellt; beispielsweise das Lösen von Puzzels, das Verhandeln über begrenzte Ressourcen oder das Treffen einer schwierigen moralischen Entscheidung. Dabei stellte sich heraus, dass nicht die Intelligenz und das fachliche Wissen der einzelnen Teammitglieder die stärkste Voraussagekraft auf die Teamleistung bzw. die kollektive Intelligenz des Teams hatten. Die „soziale Sensibilität“ der einzelnen Teammitglieder, also die Fähigkeit, die Gefühle der anderen wahrzunehmen, stellte sich als entscheidender Faktor für die Effektivität eines Teams heraus. Zudem war die kollektive Intelligenz in denjenigen Teams höher, in denen alle Mitglieder etwa gleich häufig zu Wort kamen. Teams, die von einer Person dominiert wurden, taten sich weitaus schwerer bei der Problemlösung. Darüber hinaus besassen Teams mit einem hohen Frauenanteil eine grössere kollektive Intelligenz als Teams mit weniger weiblichen Mitgliedern. (Verfügen Frauen im Durchschnitt also tatsächlich über eine höhere soziale Sensibilität als wir Männer?)



Im Nachhinein betrachtet ist es eigentlich logisch: für eine gute und gegenseitig befruchtende Zusammenarbeit braucht es ein Gefühl für andere Menschen. Wenn man keine Antenne dafür hat, wie man mit anderen spricht, auf sie eingeht oder sich selber angemessen in den Prozess einbringt, dann wird es schwierig. – Aber ganz ehrlich, wie werden Sie die Frage am Anfang dieses Beitrags in fünf Tagen beantworten?

Bis bald

Stephan Arnold

EQ-Blog@iek.ch

*Anita Williams Woolley, Christopher F. Chabris, Alex Pentland, Nada Hashmi, and Thomas W. Malone (2010). Evidence for a Collective Intelligence Factor in the Performance of Human Groups. Science 29 October 2010: 686-688.