04.12.2012

EQ in der Werbung – und was macht Suzuki?


Die Werbung hat ja schon vor vielen Jahren entdeckt, dass sich ausserordentlicher Verkaufserfolg nicht primär mit guten sachlichen Argumenten, sondern vor allem mit dem Erzeugen von positiven Emotionen erzielen lässt. In diesem Sinne haben Werber der ganzen EQ-Diskussion einiges voraus, zumal man diese Erkenntnisse, beispielsweise in der Automobilbranche, schon vor 50 Jahren gezielt und mit mehr oder weniger Erfolg zu nutzen begann. Man könnte also erwarten, dass Werber dank dieses Erfahrungsvorsprungs anderen Berufsgruppen gegenüber weit überlegen sind und es blendend verstehen, spielerisch mit originellen und lustigen Werbespots ihre Zielgruppen zu begeistern, indem sie diese auf der emotionalen Ebene ansprechen und einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Produkt und dem positiven Gefühl suggerieren . Und tatsächlich – es gibt sie, diese absolut grandiosen Spots. Es gibt sogar Auszeichnungen und Wettbewerbe, die mit grossem Interesse verfolgt werden und selbst ich habe mich, nachdem ich meine anfängliche, wohl eher ideologisch bedingte und aus der Studienzeit stammende, Skepsis endlich ablegen konnte, schon köstlich amüsiert über gut gemachte Werbung.

Umso bedauerlicher finde ich, was sich beispielsweise die Werbeverantwortlichen einer japanischen Automarke leisten. Es ist ein Spot, der in den letzten Wochen recht häufig im Fernsehen zu sehen ist.


Sie erinnern sich: Das „Dummerchen“, das bei der Ansage der Wetterprognose auf den Allerwertesten fällt, sich wieder aufrappelt und voller Begeisterung dem Publikum mitteilt, dass ihr dies mit einem „Suzuki“ nicht passiert wäre. Abgesehen davon, dass die Aussage rein inhaltlich ja insofern schon nicht zu überzeugen vermag, als der Vergleich völlig hinkt (niemandem käme es in den Sinn, in einem Auto sitzend, einfach umzufallen – Glatteis hin oder her), finde ich den Spot auch sonst einfach ziemlich blöd. Schon aus diesem Grund würde ich, selbst wenn es sich um ein sehr gutes Auto handeln würde (was ja durchaus möglich ist), nie ein solches kaufen. Der erwünschte Werbeeffekt wurde somit bei mir nicht erzielt. Es geht aber noch weiter: Nachdem ich mich beim TV-Konsum bereits einige Male etwas gewundert oder sogar leicht geärgert hatte über so viel Dummheit auf einmal, wurde es mir mit der Zeit fast etwas peinlich und ich fragte mich: Wie können Menschen allen Ernstes einen solchen Quatsch produzieren? Ja und ich fragte mich, wer denn noch mit gutem Gewissen ein solches Auto kaufen kann, nachdem er diese Werbung gesehen hat? Ganz ehrlich gesagt: Mich würden die aktuellen Verkaufszahlen von Suzuki interessieren. Sollten diese trotz dieses Werbespots hoch sein, dann müsste man wohl eine der folgenden Schlussfolgerungen ziehen:
  • entweder liegen wir völlig falsch mit unserer Grundannahme, dass EQ auch in der Autowerbung der Schlüssel zum Erfolg ist oder
  • am Ende ist eben doch nicht die Werbung matchentscheidend, sondern der Schneefall bzw. die Strassenverhältnisse.

Doofe Werbung hin oder her – im Winter bietet ein 4x4 ja tatsächlich viele Vorteile. Mein nächstes Auto wird vielleicht auch ein 4x4 sein – aber sicher kein Suzuki – allein schon wegen der Werbung.

Ihnen wünsche ich weiterhin gute Fahrt – auch bei winterlichen Strassenverhältnissen

Bob Schneider

EQ-Blog@iek.ch 

13.11.2012

Aufschieberitis, Selbstmanagement und emotionale Kompetenz

Es gibt vermutlich eine lange Liste von Dingen, die gerade dringlicher oder wichtiger wären, als diesen Beitrag zu lesen – mindestens mir geht es bisweilen so. Beispielsweise Berichte schreiben, administrative Arbeiten auf Vordermann bringen, Workshops vorbereiten, usw. … Aber morgen ist ja noch Zeit dafür und im Notfall gibt es noch die Wochenenden...

Obwohl Selbst- und Zeitmanagement auf den ersten Blick vor allem mit Management im Sinne von sich Ziele setzen, Planen, Entscheiden und Umsetzen in Verbindung gebracht wird, hat es auch einen ausgeprägten emotionalen Impact. Unerledigtes stresst. Das In-die-Länge-ziehen verhindert oft, in den aufgeschobenen „freien“ Stunden wirklich abzuschalten und sich zu erholen. Dazu kommt das schlechte Gewissen, die Zeit nicht effizient zu nutzen, was eher mit Ärger, Frust und einem Gefühl des Unvermögens einhergeht als mit Freude, Stolz und Selbstwirksamkeitsüberzeugung.

Ein bisschen aufzuschieben ist vermutlich ganz normal und einen kleineren Stapel unerledigter Dinge haben wir sicher alle. Ich habe mir aber wieder einmal vorgenommen, mit weniger schlechten Gefühlen darunter „zu leiden“. Einerseits bemühe ich mich um eine realistische Planung, an die ich mich dann auch wirklich halte. Letzteres gelingt dann besser, wenn ich die optimistischen und manchmal zu hoch gesteckten Erwartungen etwas tiefer ansetze. Die Erfahrung zeigt, dass vieles oft doppelt so lange braucht, wie anfangs geschätzt (das ist übrigens nicht nur meine Erfahrung; in der Zeitmanagementliteratur spricht man in diesem Zusammenhang von der 50:50-Regel). Andererseits versuche ich, mir bewusst freie Zeiten zu nehmen und die Arbeit dann ohne schlechtes Gewissen beiseite zu lassen.


Negative Gefühle und Aufschieben treten oft gemeinsam auf und bestärken sich in einem Teufelskreis gegenseitig. Im Umkehrschluss bestärken sich auch positive Gefühle und Anpacken gegenseitig in einem „Engelskreis“. Emotional kompetentes Selbstmanagement bedeutet für mich, sowohl meine Aufgaben als auch meine damit verbundenen Gefühle bewusst zu managen. Ich kann somit sowohl auf der Ebene von Gefühlen, Einstellungen und Bewertungen Einfluss nehmen (z.B. Auszeiten ohne schlechtes Gewissen, eigene Erwartungen, usw.), als auch auf der Ebene des konkreten Handelns (realistische Planung, Getting Things Done, usw.). Ich leide keineswegs unter extremer Aufschieberitis, aber dennoch habe ich mir wieder einmal vorgenommen, mein Selbstmanagement emotional kompetent weiterzuentwickeln.

Bis bald

Stephan Arnold

EQ-Blog@iek.ch

19.10.2012

2 Monate Zeit – jungfräulich und unberührt


Lange ist es her, dass ganze zwei Monate so unberührt und schon fast jungfräulich vor mir gelegen sind. Zeit, die - abgesehen von ein paar Flugdaten - frei von jeglichen Terminen und Verpflichtungen ist.

Zu meinem runden Geburtstag - welcher sei hier nicht verraten - habe ich 2 Monate Zeit geschenkt bekommen. Vielleicht gerade weil Zeit für mich in den letzten Jahren ein rares Gut gewesen ist, wollte ich unbedingt das Richtige und Ultimative auswählen und ja nichts verpassen.

Meine Gedanken reisten – um nicht zu sagen rasten über den ganzen Globus. Ich evaluierte, plante, verwarf und wägte Vor- und Nachteile ab. Wie ein funkelnder Weihnachtsbaum mit vielen farbigen Päckli - oder anders ausgedrückt: die Palette an Möglichkeiten wollte fast nicht enden: Andere Länder, neue Kulturen, von Yoga über Ayurveda bis hin zum Sprachkurs und natürlich war da mein mich immer begleitendes Thema: Wo sind Wellen und Wind zu welcher Jahreszeit am besten? … Und mein Bauch schwieg und schwieg und wollte sich gar nicht äussern. Und ich stand da - ganz untypisch für mich - und hatte keinen Plan und traf keine Entscheidung. Es fühlte sich unheimlich an, irgendwie ärgerlich und doch zu meinem Erstaunen irgendwann auch richtig.

So zogen die Wochen ins Land und ich freundete mich allmählich mit dem Gedanken an, dass da einfach zwei Monate Zeit sein werden – und ich fing an, mich darauf zu freuen, planlos unterwegs zu sein.

Die ersten Wochen geht es nun mit zwei lieben Freundinnen nach Bali und ich bin voller Vorfreude und Spannung, mich einfach überraschen zu lassen davon, was auch immer kommen oder eben nicht kommen wird.

… Und weil ich doch nicht ganz aus meiner Haut kann und die Vorteile eines kitzekleinen Plans durchaus doch zu schätzen weiss, sind auch einige Wochen Surfen auf den Philippinen angesagt und ich freue mich darauf, dass mir der Wind wieder einmal so richtig um die Ohren blasen wird.

Und hier noch eine kurze Geschichte, die Dani Meier, Weiterbildungsforum Basel, während einer Ausbildung erzählte und die einfach grad gut passt.

Ich wünsche euch allen eine gute Zeit.

Karin Grisenti Schneider



Die Geschichte von Ithaka - von Konstantinos Kavafis

Brichst du auf gen Ithaka,
wünsch dir eine lange Fahrt,
voller Abenteuer und Erkenntnisse.
Die Lästrygonen und Zyklopen,
den zornigen Poseidon fürchte nicht,
solcherlei wirst du auf deiner Fahrt nie finden,
wenn dein Denken hochgespannt, wenn edle
Regung deinen Geist und Körper anrührt.
Den Lästrygonen und Zyklopen,
dem wütenden Poseidon wirst du nicht begegnen,
falls du sie nicht in deiner Seele mit dir trägst,
falls deine Seele sie nicht vor dir aufbaut.

Wünsch dir eine lange Fahrt.
Der Sommermorgen möchten viele sein,
da du, mit welcher Freude und Zufriedenheit!
In nie zuvor gesehene Häfen einfährst;
Halte ein bei Handelsplätzen der Phönizier
Und erwirb die schönen Waren,
Perlmutter und Korallen, Bernstein, Ebenholz
Und erregende Essenzen aller Art,
so reichlich du vermagst, erregende Essenzen,
besuche viele Städte in Ägypten,
damit du von den Eingeweihten lernst und wieder lernst.

Immer halte Ithaka im Sinn.
Dort anzukommen ist dir vorbestimmt.
Doch beeile nur nicht deine Reise.
Besser ist, sie dauere viele Jahre;
Und alt geworden lege auf der Insel an,
reich an dem, was du auf deiner Fahrt gewannst,
und hoffe nicht, dass Ithaka dir Reichtum gäbe.

Ithaka gab dir die schöne Reise.
Du wärest ohne es nicht auf die Fahrt gegangen.
Nun hat es dir nicht mehr zu geben.

Auch wenn es sich dir ärmlich zeigt, Ithaka betrog dich nicht.
So weise, wie du wurdest, in solchem Maße erfahren,
wirst du ohnedies verstanden haben, was die Ithakas bedeuten.


Braitenrain, im Oktober 2012

EQ-Blog@iek.ch

26.09.2012

Wie mach ich mein Kind sozial kompetent?


"Ruben, lass die Lokomotive los, Jann hat sie zuerst gehabt! Du hast doch jetzt das Flugzeug, nachher könnt ihr tauschen." Ruben: "Nein, die Loki gehört mir!" "Jann, dann nimm du den Kipplaster, mit dem kannst du den Waggon beladen …" Jann (tobend): "Neeiiiin, ich habe die Loki gehabt!" "Guck mal, Ruben, jetzt weint Jann. Jetzt gib sie ihm doch zurück. Er will sie sich nur anschauen, du hast sie ja immer … Ruben, nein!!! Hör auf, Jann zu hauen, hauen ist nicht gut! Jetzt reicht es, jetzt nehme ich das blöde Ding weg …" Ruben (wild um sich schlagend, brüllend): "DU bist blöd!!"
Kennen Sie diese ärgerlichen Momente, in denen alle Versuche, Kindern ein ­Minimum an Kooperationsbereitschaft abzuringen, genau das Gegenteil bewirken? Befragt man eine repräsentative Auswahl von Müttern, so klagt immerhin gut die Hälfte über das Sozialverhalten ihrer Sprösslinge. Der Nachwuchs will nichts abgeben, gebärdet sich rabiat, aggressiv oder aber ängstlich, eigenbrötlerisch und schüchtern.

Mag sein, dass Erwachsene manchmal zu früh zu viel erwarten. Phasen von Besitzgier, von Fremden- und Trennungsangst, Trotz- und Wutanfällen inklusive körperlicher Aggressivität gehören zur normalen kindlichen Entwicklung. Von sozial auffälligem Verhalten kann also in obigem Fall nicht die Rede sein – sofern dieses nicht die Regel ist. Aber wie werden Kinder sozial kompetent? Die Grundlage für den Erwerb sozialer Kompetenzen wird – so meinen die ExpertInnen - bereits in frühester Kindheit gelegt, nämlich, wenn sich Mutter oder Vater (oder nahe Bezugspersonen) tagtäglich liebevoll mit dem Baby befassen. Damit Sie aber als Eltern nicht gleich wieder ein schlechtes Gewissen kriegen: Die ExpertInnen sagen auch, dass nicht automatisch die Eltern "schuld" sind, wenn ein Kind soziale Regeln ignoriert. Mitunter können genetisch bedingte Störungen sowie eine lange Reihe von Risikofaktoren dafür verantwortlich sein, dass Kinder die Gefühle anderer schlecht deuten können.

Grundsätzlich lernen Kinder aber durch Kennenlernen der eigenen emotionalen Welt, d.h. durch erkennen und ‚zuordnen lernen‘ von eigenen Emotionen. Weiter durch sich-in-den-anderen-reinversetzen (Perspektivenwechsel) und durch erlernen von Lösungsstrategien in sozial schwierigen Situationen (wie bspw. Konflikten). Die Eltern (bzw. nahe Bezugspersonen) des Kindes dienen im Laufe der Entwicklung sowohl als Modell als auch als "Spiegel des Selbst des Kindes". Sie lehren das Kind mit schwierigen Verhaltensweisen umzugehen und welche Regeln im sozialen Kontext gelten; sie spiegeln dem Kind, wie es ist und wie sein Verhalten auf andere wirkt. Dass man sich dabei als Eltern x-fach wiederholen muss, scheint mühsam aber unabdingbar zu sein: "Es ist wichtig, dass Erwachsene den Kindern immer wieder Feedback und Anleitung beim Umgang miteinander geben, auch wenn man das Gefühl hat, sich zum hundertsten Mal zu wiederholen", meint der Psychologe Franz Petermann*.

Nochmals zurück zu der weiter oben geschilderten Situation: Viele Eltern sind der Meinung, dass sie bspw. bei Konflikten nicht eingreifen dürfen, nach dem Motto: Die Kids müssen das unter sich regeln. "Das funktioniert nicht", widerspricht der Psychologe. Gerade die Kleineren seien damit emotional überfordert. Je jünger das Kind, desto unmittelbarer müssen Erwachsene vielmehr beim Verstoß gegen soziale Regeln reagieren. "Kinder brauchen die Orientierung – sie wollen immer wieder wissen: Ist das jetzt gut oder schlecht? ". Die Eltern nehmen in diesem Sinn eine wichtige Rolle bei der Herausbildung des Selbstverständnisses und des Selbstwertes des Kindes ein. Qualitäten, die eine zentrale Rolle spielen in Bezug auf die Kompetenz, sich in sozialen Kontexten bewegen zu können.

Wer ein paar weitere Tipps möchte, um seinem Nachwuchs soziale Fertigkeiten zu vermitteln, hier eine kleine Auswahl nach Empfehlungen von PsychologInnen der Universität Bremen:

Tipps für Eltern zur Förderung der sozialen Kompetenz bei Kindern

Ab dem Kindergartenalter:
  • Erzählen Sie Ihrem Kind, wann Sie selbst froh, wütend oder traurig waren, und zeigen Sie ihm, wie Gefühle bei Ihnen aussehen und sich anhören.
  • Fragen Sie Ihr Kind, wann es froh, wütend oder ängstlich war.
  • Fragen Sie es, welche Möglichkeiten es gibt, ein Problem zu lösen.
  • Lassen Sie Ihr Kind begründen, warum eine Lösung gut oder weniger gut ist.
  • Spielen Sie gemeinsam gute Lösungsmöglichkeiten im Rollenspiel nach.
  • Seien Sie ein Vorbild im Umgang mit anderen Menschen.

Ab dem Grundschulalter:
  • Ermutigen Sie Ihr Kind, Konflikte in drei Stufen zu überdenken: Was ist eigentlich passiert?
  • Was kann man dagegen tun (Ideen sammeln)? Welche Lösung ist am besten für alle Beteiligten?
  • Fairness: Suchen Sie zusammen mit Ihrem Kind praktische Beispiele für die Regel: "Ich behandle dich so, wie ich selbst behandelt werden möchte."
  • Regen Sie an, Verantwortung für eigenes Fehlverhalten zu übernehmen. Führen Sie für alle Familienmitglieder die 4-E-Methode ein: Eingestehen, Erklären (warum man sich so verhalten hat), Entschuldigen, Entschädigen ("Was kann ich tun, um das wieder gutzumachen? ").

Bis bald

Ursula Stalder

EQ-Blog@iek.ch

--
*FRANZ PETERMANN leitet das Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation an der Universität Bremen

12.09.2012

Wie empathisch müssen Führungskräfte sein?


Spätestens seit Daniel Goleman den Begriff der emotionalen Intelligenz (= EQ) mit seinen Bestsellern populär gemacht hat, ist in jedem Handbuch über Leadership, in jedem Führungskurs und in fast jedem Stelleninserat von Empathie – als einem zentralen Wesensmerkmal von EQ – die Rede. Doch was ist damit eigentlich genau gemeint und wie empathisch sollten Führungskräfte tatsächlich sein? In Anlehnung an einen äusserst spannenden Gedankenaustausch[1] zwischen zwei Experten mit ganz unterschiedlichem kulturellem Hintergrund werde ich dieser Frage in der Folge etwas nachgehen.

Als sich seine Heiligkeit der Dalai Lama und der renommierte amerikanische Psychologieprofessor und Emotionsforscher Paul Ekman zum ersten Mal trafen, entwickelte sich zwischen ihnen eine bemerkenswerte Beziehung. Zum Glück hatten die beiden nicht allzu sehr auf die Warnungen gehört, die man ihnen vor ihrem ersten Treffen zukommen liess: Während der Dalai Lama von Buddhisten aus Amerika zu besonderer Vorsicht ermahnt wurde, weil die „Wissenschaft der Totschläger der Religion“ sei, meinten einige Kollegen aus dem wissenschaftlichen Umfeld zu Paul Ekman: „Sprechen Sie nicht mit dem Dalai Lama. Er wird Sie als Wissenschaftler ruinieren – und Sie werden spirituell werden!“ Und so kam es zu mehreren Treffen, in denen sich die beiden austauschten und in einen intensiven Dialog über Wissenschaft und Spiritualität, über östliche und westliche Denkansätze traten. Dabei haben sie sich unter anderem auch über das Wesen des Mitgefühls unterhalten:

Jede Diskussion mit dem Ziel, mehr Klarheit über ein komplexes Thema zu gewinnen, beginnt mit einer begrifflichen Klärung. So auch hier: Paul Ekman schlägt vor, vom Begriff der Empathie einmal abzusehen und ihn durch vier präzisere Begriffe zu ersetzen:
  1. Das „Erkennen einer Emotion“: Gemeint ist damit beispielsweise die Fähigkeit zu erkennen, wenn eine andere Person leidet. Um empathisch sein zu können muss ich das Gefühl kennen. Denn ich kann nicht an den Gefühlen einer anderen Person teilnehmen, wenn ich nicht weiss, um was für Gefühle es sich handelt.
  2. Die „emotionale Resonanz“: Dies bedeutet, die Emotion des andern ebenfalls zu spüren, was über das reine Erkennen hinaus geht. Um fühlen zu können, was der andere fühlt, muss ich zwar zunächst das Gefühl erkennen. Aber umgekehrt führt nicht jedes Erkennen zwangsläufig dazu, dass ich es fühle.
  3. Das „Mitgefühl“ ist schliesslich der dritte Begriff, den man unterscheiden sollte: Beim Mitgefühl habe ich den Wunsch, das Leiden der andern Person zu lindern. Wenn ich das Leiden nicht erkannt habe, werde ich nicht wissen, dass die andere Person leidet und somit werde ich auch kein Mitgefühl entwickeln. Ein reines Erkennen führt umgekehrt jedoch nicht zwangsläufig zum Mitgefühl. Ich kann ja beispielsweise das Leiden einer andern Person nicht so wichtig nehmen. Schliesslich könnte man die „emotionale Resonanz“ als Motivationsfaktor bezeichnen, um Mitgefühl zu empfinden. Wenn ich direkt spüre, wie jemand leidet, kann mich dies dazu motivieren zu handeln, um das Leiden zu reduzieren. Und ein letzter wichtiger Gedanke dazu: Ich habe die Möglichkeit, einzig durch das „Erkennen der Emotion“ Mitgefühl zu empfinden. Die „emotionale Resonanz“ ist somit nicht eine zwingende Voraussetzung, um „Mitgefühl“ entwickeln zu können.
  4. Zum Schluss kommt Daniel Ekman auf den Begriff des „Altruismus“ zu sprechen. Damit meint er das Mitgefühl, welches dazu führt, dass ich das Leid der andern Person zu lindern versuche und dabei auch gewisse Risiken für das eigene Wohlergehen in Kauf nehme. Ich helfe dem andern – und gefährde mich dabei selbst.

Damit sind die verschiedenen Aspekte von Empathie genannt. Man könnte es sich nun einfach machen und behaupten, dass emotional intelligente – und somit empathische – Führungskräfte über all die oben aufgeführten Eigenschaften verfügen sollten. Doch dies wäre weder besonders klug noch allzu realistisch, zumindest wenn man den Gedanken nicht noch etwas weiter entwickelt.

Dies haben auch die beiden Gesprächspartner getan, indem sie der Frage nachgegangen sind, inwiefern man durch ein Übermass an „emotionaler Resonanz“ sowohl sich selbst als auch seinem Umfeld nicht auch schaden könne. Als Beispiel unterhielten sie sich über die Krankenschwester in einem Spital für krebskranke Kinder. Würde die Krankenschwester all das Leid dieser Kinder und deren Eltern mitfühlen, wäre sie vermutlich bald nicht mehr arbeitsfähig und würde ausbrennen. Sie braucht daher zusätzlich etwas, was der Dalai Lama die „unterscheidende Bewusstheit“ nennt. Dabei geht es um eine innere Balance, um ein Gleichgewicht zwischen Mitgefühl und Weisheit. Nach dem buddhistischen Verständnis besteht die Rolle der „unterscheidenden Bewusstheit“ darin, dass „zwischen den unterschiedlichen Geisteszuständen eine Art von Konfliktlösung“ erreicht wird. Gemeint ist damit die Fähigkeit, bei Bedarf die eigene „emotionale Resonanz“ zurücknehmen zu können, um handlungsfähig zu bleiben. Anstatt zusammenzusitzen und gemeinsam zu weinen, tut man sein Möglichstes, um die Situation für alle zu verbessern. Wenn Kündigungen ausgesprochen werden müssen, um die Zukunft des Unternehmens zu retten, dann ist es wichtig, eine gewisse Distanz zur eigenen emotionalen Betroffenheit einzunehmen, um die richtigen Entscheide in die Praxis umzusetzen.

Folgt man der Argumentation des Dalai Lama, dann verfügen emotional intelligente Führungskräfte einerseits über Demut – d. h. sie sind in der Lage, „das Gefühl des Ichs oder der Bedeutsamkeit der eigenen Person abzubauen“ bzw. zu relativieren. Andererseits haben sie den nötigen Mut bzw. „das Bedürfnis, zum Vorteil anderer zu wirken“. Diese beiden sich allem Anschein nach zu widersprechenden Zustände – Mut und Demut – gilt es miteinander in Einklang zu bringen. Dies geschieht durch die Anwendung der Weisheit.


Bis bald

Bob Schneider

EQ-Blog@iek.ch

--
[1] Dieser Dialog wurde im Jahr 2008 in Buchform herausgegeben und später ins Deutsche übersetzt. Titel der deutschen Übersetzung: Gefühl und Mitgefühl – Ein Dialog zwischen dem Dalai Lama und Paul Ekman. Aus dem Englischen übersetzt von Dr. Matthias Reiss, Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg 2009

30.08.2012

Bin ich selbst verantwortlich für meine Gefühle?

Ich war in den letzten Tagen zweimal mit dem Auto auf derselben Strecke Langnau-Burgdorf unterwegs. Bei der ersten Fahrt war ich etwas spät unterwegs und hatte das Gefühl, ein Opfer verschiedener ärgerlicher Umstände zu sein. Gerade jetzt, wo ich es eilig hatte, wurden mir verschiedene Hindernisse zum Vorwärtskommen in den Weg gestellt. Mein Ärger wurde in meinem Empfinden durch das Verhalten anderer Personen bzw. durch äussere Umstände und Ereignisse verursacht. Nach der zweiten Fahrt, bei der ich nicht unter Zeitdruck stand, konnte ich am Bahnübergang einem schönen Song lauschen, der gerade im Radio lief, und ich beobachtete die verschiedenen Verkehrsteilnehmer und hing meinen Gedanken nach. Auch wenn es einmal stockend vorwärts ging, konnte ich die Fahrt schon fast meditativ geniessen.

Was hatten geschlossene Barrieren, landwirtschaftliche Fahrzeuge, die meine Höchstgeschwindigkeit begrenzten, oder der stockende Innerortsverkehr mit meinen unterschiedlichen Gefühlslagen zu tun? Wenn ich es genauer bedenke, eigentlich nichts. Beide Male war ich ähnlichen äusseren Umständen und Verhaltensweisen anderer Personen ausgesetzt und dennoch war mein Empfinden komplett ein anderes. Es sind somit nicht die Anstöße von aussen, die meine Gefühle verursachten, sondern meine Gefühle entstanden dadurch, wie ich diese Impulse wahrgenommen, eingeordnet und schliesslich darauf reagiert habe.

Noch ein weiteres Beispiel: Wenn ein Kollege schlecht über mich redet, dann fühle ich mich in der Regel verletzt und ärgerlich - „und er ist schuld daran, dass ich mich so fühle“. Jedoch ist die Tatsache, dass er über mich geredet hat, nicht ursächlich dafür verantwortlich, dass ich mich aufrege. Wenn ich es nie erfahren hätte, hätte ich mich nicht aufgeregt. Auch hier zeigt sich, dass meine Gefühle hauptsächlich von mir abhängen bzw. davon, wie ich Ereignisse interpretiere und darauf reagiere. Eigentlich müsste ich mich nicht schlecht fühlen, wenn jemand garstig über mich redet, auch wenn ich es erfahre. Ich kenne Personen, die bleiben bei so etwas vollkommen ruhig, denen ist das ganz egal. Die Reaktion hängt also von mir ab und ist somit auch durch mich beeinflussbar.

Zugegeben, Ereignisse von aussen oder Verhaltensweisen von anderen können wir schlecht kontrollieren. Aber wir können unsere Wahrnehmung, Interpretation und Reaktion darauf steuern, ändern und trainieren - wenn wir das wirklich wollen.

Eigenverantwortung zu übernehmen ist sehr wichtig, wenn wir unser Leben selbst bestimmen wollen. Und Verantwortung für unsere Gefühle zu übernehmen, ist in diesem Zusammenhang von besonderer Bedeutung, wie ich immer wieder einmal selber erfahre.

Bis bald
Stephan Arnold

EQ-Blog@iek.ch

17.08.2012

Emotionales Wechselbad

Ferienzeit ist Reisezeit. Wir haben diesen Sommer mit unserem 6-jährigen Sohn eine Tour mit dem Motorhome durch die Nationalparks des Südwestens der USA geplant. Ein Monat Ferien am Stück ist etwas eher Einmaliges und ein Trip mit dem Camper durch die Wildnis so oder so etwas, das man nicht so schnell wieder machen wird. Umso mehr haben wir uns auf dieses Erlebnis gefreut und geplant, was wir alles unternehmen wollten.

Die "gefürchteten" Einreiseformalitäten für die USA hatten wir elektronisch glücklich bewältigt, den Nationalpass für die Parks im Gepäck und die letzten Reservationsbestätigungen für die beliebtesten Parks erhalten. Im Büro waren die Dossiers übergeben, die Pendenzen abgearbeitet und das Pult fein säuberlich aufgeräumt. Mit anderen Worten, wir waren "ready for take off".

Und zweitens kommt es anders als man denkt. Den ersten Zug nach Zürich haben wir noch ganz knapp erwischt, obwohl sich unser Taxichauffeur verschlafen und uns versetzt hatte. Aber es hat noch gereicht. Umso grösser die Entspannung und wohlige Freude, als sich der Zug pünktlich in Bewegung gesetzt hat. Wer kennt es nicht, das befreiende Gefühl, wenn nach den letzten hektischen Momenten, dann endlich die Ferien tatsächlich beginnen und man die letzten Sorgen zu Hause lässt.

So auch wir. Das ersehnte Reiseziel kam schon ein wenig näher und in ein paar Stunden würden wir über den Wolken Richtung Westen schweben. Ahh tat das gut ! Noch ein Espresso von der Mini Bar, sich rasch vergewissern ob der Pass nun tatsächlich in der Jacke und nicht mehr auf dem Küchentisch ist usw. Nichts Aussergewöhnliches. Das Einchecken ging überraschend schnell und einfach, auch beim Security Check konnten wir die Beamten rasch wieder beruhigen und die vermeintliche Rohrbombe als Verpackungsröhre der Pringles-Chips entlarven. Die langersehnten Ferien wurden immer greifbarer.
Nach 2 Stunden freudiger Langeweile in der Abflughalle begann das Boarding mit nur 20 Minuten Verspätung. Kein Problem, das sollte noch reichen um den Anschlussflug in Philadelphia zu erreichen. Nur kein Stress, es kommt alles gut. Amerika wir kommen! Freude herrscht!



Wir haben uns angeschnallt, die Cockpit Türe ging runter, das Flugpersonal hat die over head Fächer mit Schwung zugeknallt, die Passagiere ein letztes Mal gezählt und dann…

Hat sich unser Sohnemann über Kopfweh und Bauchschmerzen beklagt, sich gleich darauf übergeben müssen, erschöpft seinen Kopf in den Schoss der Mutter gelegt und gesagt er sei sehr müde er möchte schlafen. Wir waren völlig perplex, verstanden die Welt nicht mehr und versuchten zu begreifen, was da eben passiert war und was unserem Kind fehlte. Äussere Anzeichen gab es keine, kein Fieber, nur noch etwas Kopfweh. War es nur die Aufregung? Eine kleine Sommergrippe? War es das warme Buttergipfeli in der Abflughalle gewesen? Oder bahnte sich etwas Gravierendes an? Wir waren wirklich ratlos.
Es war fast wie im Film. Nur waren wir diesmal die Hauptdarsteller, beobachtet von 200 Flugpassagieren, die einen mit vorwurfsvollen und wütenden Blicken anstarrten, als der Abflugprozess gestoppt, das Flugzeug wieder angedockt und die Türe wieder geöffnet wurde. Der Flugkapitän wollte einen Notarzt an Bord holen lassen, um zu klären, ob er mit uns an Bord losfliegen kann oder nicht.
Da haben wir uns entschlossen wieder von Bord zu gehen und unseren Ferientraum platzen zu lassen. Innerhalb ein paar Minuten hat sich die wohlige Vorfreude auf die Ferien in Sorge und Angst um die Gesundheit unseres Sohnes und in eine riesige Enttäuschung gewandelt.
Nach dem wir vom Airport-Medical Center ins Kinderspital geschickt worden waren, konnten wir kurz vor Mitternacht, zum Glück zusammen mit unserem Sohn, wieder nach Hause fahren. Unsere "Reise" hatte etwas weniger lange gedauert als geplant, hat uns aber durch ein unglaubliches Auf und Ab von Gefühlslagen geführt und das emotionale Wechselbad war eine echte Herausforderung gewesen. Nicht unbedingt zur Nachahmung zu empfehlen. Aber am Schluss dieses langen Tages, waren wir trotz allem einfach froh, dass die Diagnose nicht gar so schlimm war, wir uns richtig entschieden hatten und es nicht schlimmer ausgegangen ist. Zum Glück hatte das Flugzeug Verspätung gehabt, sonst wären wir bereits in der Luft gewesen und hätten vielleicht irgendwo in der "Pampa" zwischenlanden und von Bord gehen müssen.
Ich hoffe Ihre Ferien sind etwas ruhiger verlaufen…
Bis bald
Simon Streit






27.07.2012

Wider alle Vernunft - und doch muss es sein!

Es gibt Frauen, die tragen ihren Besitz in der Handtasche mit sich herum. Bei mir liegt alles (inklusive natürlich der Tasche) im Auto. Deshalb war mein Auto bisher eher geräumig und vor allem praktisch - Marke und Aussehen hingegen eher unwichtig. Denn eigentlich bin ich der Meinung, dass Autos mich nicht interessieren und meine beiden Kriterien sind: Es muss "funktionieren" und eine Sitzheizung haben. Das war so bis ich dann diesen ….



… sah und mich ein wenig verliebte.

Die vorwiegend männlichen Argumente gegen einen Kauf waren: „Unmöglich“, „zu unpraktisch“, „viel zu klein“, „zu teuer“ und überhaupt ... „das ist ja kein richtiges Auto“.

Alle vorgetragenen Argumente konnte ich absolut nachvollziehen und ich war eigentlich sogar mit ihnen einverstanden. Aber irgendwie nützte alles nichts, denn ich wollte ihn, diesen süssen kleinen Kerl. Nicht zuletzt passte in meiner Vorstellung sogar die Farbe perfekt zu meinem Hund!

Und los ging’s, mit Mann und Hund und Sack und Pack in Richtung Frankreich. Siehe da, fast zu meinem Erstaunen ging auch alles rein. Die Packerei dauerte zwar ein wenig länger, denn es handelte sich hier um eine kleine Generalstabsübung und um Millimeterarbeit. Aber alles eigentlich kein Problem, einzige Erschwernis war der männliche Kommentator, der die Sticheleien nicht lassen konnte … bis mir dann der Kragen platzte und ich engagiert in Verteidigungsstellung trat ... so fing die erste Reise mit einem kleineren Disput an, der dann allerdings bei offenem Dach und coolem Sound bald in der Sonne geschmolzen ist!

Und wenn ich ganz ehrlich bin: ein bisschen unpraktisch ist er wirklich - nur Spass machen tut er trotzdem!

Schöne Sommertage und bis bald,

Karin Grisenti Schneider

18.07.2012

Kopf oder Bauch? Wie entscheide ich mich richtig?

Soll ich ans Meer in die Ferien fahren oder in die Berge? Soll ich heute Abend ins Kino oder doch lieber essen gehen? Welche Hose ziehe ich morgen an, die schwarze oder die blaue?

Tagtäglich treffen wir hunderte von Entscheidungen. Nicht immer wissen wir, was im entscheidenden Moment richtig ist, aber wir gehen im Allgemeinen davon aus, dass dem Kopf (unserer Kognition) im Entscheidungsprozess eine tragende Rolle zukommt. Forschungsergebnisse weisen jedoch in eine andere Richtung. So gilt als erwiesen, dass Entscheide vorwiegend emotional gefällt werden - und dies in Sekundenschnelle - und dass erst nachträglich eine kognitive Erklärung gesucht wird, um den Entscheid für sich selber und die anderen nachvollziehbarer zu machen.

Wenn  Ihnen ein „Motivationsguru“ allerdings sagt: «Folge einfach deinem Bauch! Der Bauch hat immer Recht!», dann sollten Sie diesem Rat nicht unbedingt um jeden Preis folgen. So kommt es darauf an, wie wir bei Entscheidungen die beiden Ebenen Verstand und Bauchgefühl in Einklang bringen. Die somatischen Marker* helfen bei der Vorbewertung verschiedener Handlungsoptionen, und sie verleihen ein Gefühl der Sicherheit, der Ruhe nach einer Entscheidung.  Es geht darum, zu spüren was für uns gut ist. Ohne den Verstand, der abwägt und Szenarien entwirft, geht es aber nicht.

Gut entscheiden bedeutet auch, die richtigen Fragen zu stellen. Jemand fragt sich vielleicht alle paar Jahre, ob er den gut dotierten Job kündigen und es doch noch als Musiker versuchen sollte. Hilfreicher wäre hierbei möglicherweise die Frage, wie es ihm gelingt, seine unerfüllten Bedürfnisse in seinen Alltag zu integrieren. So kommen wir weg vom Entweder-oder-Schema. Das Beispiel zeigt, wie Bauchgefühl und Verstand sich ergänzen können. Das Bauchgefühl rät dem Mann vermutlich dazu, den Versicherungsjob zu kündigen, sich mit dem Saxofon auf die Strasse zu stellen und darauf zu hoffen, das Universum trage ihn und fülle den Hut mit Geld. Der Verstand gibt ihm die Möglichkeit, eine vernünftige Strategie zu entwickeln, zum Beispiel das Pensum auf 80 Prozent zu reduzieren und einmal pro Woche in einem Jazz-Keller zu spielen.

Oftmals  haben wir auch Angst, die Weichen falsch zu stellen, und vergessen dabei, wie viele Zufälle unser Leben prägen. Der Mensch überschätzt systematisch die Planbarkeit seiner Existenz und damit auch die Konsequenzen seiner Entscheidungen. Wir erliegen viel zu sehr einer Kontrollillusion und glauben, es gebe eine richtige Entscheidung, die wir um jeden Preis finden müssen. Dabei wissen wir kraft unseres Verstandes: Was richtig oder falsch ist, zeigt sich immer erst im Nachhinein.

Man kann die Güte seiner Entscheidungen aber definitiv erhöhen, wenn man sowohl auf seinen Bauch als auch auf seinen Kopf hört. Emotionen sind für gute Entscheidungen also unentbehrlich! Und schon sind wir wieder beim Thema emotionale Kompetenz. Ohne die geht also auch bei Entscheidungen nichts.






Ich habe mich dieses Jahr für das Meer und die toskanischen Hügeln entschieden … schöne Ferien allerseits! :-)


Ursula  Stalder

*Ein somatischer Marker ist eine den Körper betreffende Wahrnehmung. Dabei können alle Körperempfindungen als somatische Marker fungieren. Somatische Marker lenken die Aufmerksamkeit entweder auf ein positives oder negatives Erlebnis, “das eine bestimmte Handlungsweise nach sich ziehen kann.” (Damasio 1997, S. 237). Auf diese Weise nehmen wir eine Körperempfindung zum Beispiel als intuitives Start- oder Stoppsignal bezüglich einer bestimmten Entscheidung wahr.

EQ-Blog@iek.ch

10.07.2012

EQ im Schlafwagen

Bevor ich mit meiner kleinen Geschichte beginne, vielleicht noch folgende Vorbemerkung: Ich glaube von mir sagen zu können, dass ich vermutlich ein durchschnittlich kritischer Kunde bin – also weder gleich sofort mit allem zufrieden noch ein „ewiger Stänkerer“, dem man es ohnehin nie recht machen kann.

Neulich fuhr ich also mit der Bahn im Auto-Nachtzug von Lörrach nach Hamburg. Bei der Inanspruchnahme dieser Dienstleistung (der DB übrigens, nicht der SBB) gab es nun einige Punkte, die mich als Kunden in der Tat hätten unzufrieden machen können: Abgesehen vom extrem hohen Preis (für das gleiche Geld könnte man mindestens 4 mal dieselbe Strecke mit dem Flugzeug zurücklegen) waren es, kurz zusammengefasst, folgende Mängel, die man hätte beanstanden können:

Die Kabine war derart klein, dass sich die Reisenden (zwei erwachsene Personen und ein Hund) unmöglich einigermassen normal darin hätten bewegen können. Die Klimaanlage verursachte entweder eine unangenehme Kühle oder dann gleich eine unausstehliche Hitze. Etwas dazwischen war anscheinend nicht möglich. Der Liegeplatz war derart hart, dass einem am andern Morgen alle Knochen weh taten. Das Frühstück bestand primär aus schlechtem Kaffee und alten Brötchen. Schliesslich war auch das Wetter bei unserer Ankunft am frühen Morgen in Hamburg nicht unbedingt dazu angetan, um uns in besonders gute Stimmung zu versetzen. Es regnete nämlich in Strömen bei knapp 10 Grad – und dies im Juni! So weit so gut.

Wer nun allerdings denkt, dass ich auf dieser Reise besonders gelitten hätte oder sonst in irgend einer Weise unzufrieden war, der hat die Rechnung ohne den Wirt – bzw. ohne den Zugbegleiter der Deutschen Bahn gemacht! Es war ein älterer freundlicher Mann, der uns auf dieser Reise bediente. Vermutlich war dies nicht eine Tätigkeit, die er schon sehr lange ausübte – eher so eine Art Arbeitslosenprojekt, dachte ich mir. Er war denn auch nicht besonders geschickt, sondern verwechselte manchmal die einzelnen Kabinen und verspätete sich dadurch ein bisschen beim Service. Auch die Um-Montage der Abteile in eigentliche Liegeplätze (wozu offiziell nur der Zugbegleiter berechtigt war – aber eben, der konnte das auch nicht richtig) schien ihm einige Mühe zu bereiten, so dass er dies nicht immer auf Anhieb schaffte und es einige Zeit dauerte, bis alle Reisenden für die bevorstehende Nacht die“ Liegepositionen“ einnehmen konnten.

Doch seine rundum sehr freundliche Art, sein überaus charmantes Lächeln und seine innere Ruhe und Zufriedenheit, die er trotz all der widrigen Umstände ausstrahlte – all dies bewirkte ein kleines Wunder. Durch seine grosse Authentizität und sein glaubwürdig gezeigtes Bemühen, alles in seiner Macht stehende zu tun, um uns die Reise so angenehm wie nur immer möglich zu gestalten, gelang es ihm irgendwie, eine positive Stimmung zu kreieren. Niemand wurde wirklich ungeduldig, alle hatten irgendwie Verständnis. Wo gibt es denn heutzutage noch so etwas? Eine Oase voller Gelassenheit und gegenseitigem Respekt. Man verzieh ihm die alten Brötchen genauso wie man Verständnis aufbrachte für seine offensichtlichen fachlichen Unzulänglichkeiten. Da war einfach jemand, der ehrlich darum bemüht war, seinen Kunden um jeden Preis ein gutes Gefühl zu vermitteln. Darin war er sensationell gut und konsequent. Seine Zufriedenheit war einfach ansteckend. Er schaffte es schliesslich auch, mich auf angenehme Art daran zu erinnern, dass es wichtigere Dinge im Leben gibt als frische Brötchen und guten Kaffee.

Und so standen wir dann nach der Ankunft in der Kälte im Hamburger Regen, warteten geduldig auf unser Auto und hofften, dass wir  bei der nächstgelegenen Autobahnraststätte in Ruhe frühstücken konnten. Die Welt war für uns völlig in Ordnung.

Manchmal denke ich mir, dass solche Menschen für eine Firma im Wettbewerb um zufriedene Kunden weit mehr erreichen können als manche anderen – zweifellos gut gemeinten – Optimierungsmassnahmen.

Bob Schneider

EQ-Blog@iek.ch

20.06.2012

Change ist eine hochemotionale Angelegenheit


Schön ist es doch, wenn sich Kreise im Leben schliessen. Vor 25 Jahren hat mich ein Führungsseminar von Klaus Doppler, dem bekannten Change-Management-Guru aus Deutschland, sozusagen zum Leben erweckt. Nach 25 Jahren echtem lebendig sein, habe ich nun Klaus Doppler in einem Seminar wiedergetroffen. Heute, über 70 Jahre alt, strahlt er immer noch dieselbe jugendliche Tat- und Inspirationskraft und geistige Agilität aus, wie damals.... Und er hat ein neues Buch zu Emotionen im Management bzw. in Veränderungsprozessen geschrieben. Ein Thema, mit dem ich mit in meinem Arbeitsalltag im iek immer wieder auseinandersetze. Soviel zum Kreis, der sich schliesst. Das Buch finde ich sehr lesenswert und ich möchte es hier vorstellen.

Change Management ist heute Alltagsmanagement. Denn kein Unternehmen kann sich mehr darauf verlassen, morgen noch die gleichen Bedingungen vorzufinden wie heute. Aus diesen Anforderungen heraus sind vielfältige Methoden des Change Management entstanden. Nur eins wird gemäss Klaus Doppler systematisch übersehen. Nämlich, dass Change eine hochemotionale Angelegenheit ist. In seinem neuen Buch "Feel the Change" vermittelt er deshalb Managern die Grundlagen, um die Mitarbeiter vor allem mental auf die Anforderungen und Notwendigkeiten von Changeprozessen vorzubereiten.

Gefühle sind keine Schmuddelkinder
Auch wenn in Unternehmen vermeintlich rationale Prozesse im Vordergrund stehen. Die wahre Dynamik eines Unternehmens entwickelt sich im Zusammenspiel der Menschen. Es geht um Macht, um Angst, um Risikoverliebtheit und Angst vor dem Risiko, es geht um Egoismen, Kontrolle und um Kontrollverlust. Klaus Doppler und Bert Voigt beschreiben im ersten Kapitel von "Feel the Change" die "Macht der Gefühle". Zeigen, warum die emotionale und die rationale Bewertung und Wahrnehmung zusammengehören. Und warum es ein Unding ist, dass "Gefühle" im Management wie Schmuddelkinder behandelt werden - obwohl sie das Unternehmensergebnis mehr beeinflussen, als manchen lieb ist.

Die sieben Stufen der emotionalen Steuerung
Wie sich Mitarbeiter für Veränderungen gewinnen lassen, zeigen Doppler und Voigt anhand der "sieben Stufen der emotionalen Steuerung":
  1. Unbehagen mit dem Status quo bewirken. Denn "Menschen verändern sich nicht ohne Not. Als Energiesparer tun sie zunächst alles, um jedwede Veränderung zu vermeiden." 
  2. Lust und Energie zum Verändern entstehen lassen. Hier geht es darum "die kognitive Dissonanz zwischen Wissen und Handeln so deutlich zu machen, dass sie das vorherrschende Gleichgewicht kippen lässt."
  3. Die Zukunft greifbar machen. Und zwar durch eine "eindeutige Botschaft, anknüpfend an die eigene Person und emotional so stark mobilisierend, dass man seiner Wirkung nicht entkommen kann." 
  4. Mental mobilmachen. Damit bezeichnen Doppler und Voigt die Aufgabe, ein "stabiles inneres Leitprogramm zu etablieren", um nicht Gefahr zu laufen, dass die Mannschaft bei den ersten Schwierigkeiten die Flinte ins Korn wirft.
  5. Zeichen zum Aufbruch setzen. Ein Changeprozess ist kein Spaziergang. Es kommt deshalb auf den gut vorbereiteten (und inszenierten) Aufbruch an. Auf den "Startschuss".
  6. Anker lichten und alte Ufer verlassen. Die Phase, in der es darum geht, "das richtige Gemisch aus Freude, Angst, Erwartungen, Hoffnungen, Wünschen, Befürchtungen, Begeisterung, Sehnsucht und Leidenschaft herzustellen."
  7. Das Gefühl erzeugen, auf dem richtigen Weg zu sein. Vorausgesetzt, es ist der richtige Weg. Ansonsten gilt: "Karten auf den Tisch und die bisherigen Lernerfahrungen ummünzen!"

Auf zu neuen Ufern
Um diese sieben Schritte umzusetzen, ist viel Fingerspitzengefühl und viel Selbsterkenntnis erforderlich. Das vermitteln die beiden Autoren Doppler und Voigt anhand guter Selbsttests und indem sie sehr gut auf die nur allzu bekannten Widerstände eingehen. Managementbuch.de - Fazit: "Feel the Change" zeigt Managern und Führungskräften, wie sie ihre Mannschaft auch emotional zu neuen Ufern führen.

http://www.amazon.de/dp/3593394731 Viel Spass und gefühlte Erkenntnis beim Lesen :-)

Bis bald

Ursula Stalder

EQ-Blog@iek.ch