25.07.2013

Aggressivität als Führungskompetenz (Teil 1)


Während früher das allgemeine Führungsverständnis auf dem alleinigen Glauben an die reine Rationalität basierte, beschäftigt man sich seit einigen Jahren vermehrt auch mit emotionalem Management. Doch meist geht es dabei um schöne und positive Begriffe wie Empathie, Teamorientierung und soziale Rücksichtnahme. Über „negative Emotionen“ spricht man lieber nicht. Doch genau dies könnte sich als grosser Fehler erweisen.

Betrachtet man Diskussionen auf Managementkongressen, Fachvorträge auf HR-Messen oder Posts auf Businessplattformen, so entsteht zuweilen der Eindruck, als ginge es bei der Führungskräfteentwicklung in erster Linie darum, eine Schar von sanften Lämmern heranzuzüchten, die sich vor allem um das körperliche und psychische Wohlbefinden ihrer Mitarbeitenden sorgen. Harmonie, Gemeinschaft und Selbstverwirklichung sind stets gern gehörte Begriffe, die nicht mehr hinterfragt werden und überall hoch im Kurs sind. Man arbeitet daran, dass Motivation, Spass und Konsens durch Win-win-Lösungen in Einklang gebracht werden und übersieht dabei leicht, dass die Welt leider nur sehr selten genau so ist, wie wir sie uns vielleicht wünschen.


 

All unseren Bemühungen zum Trotz finden wir in Unternehmen nämlich nicht ausschliesslich nur „gute Gefühle“ vor. Organisationen sind immer auch Orte, in denen „schlechte Gefühle“ wie Neid, Konkurrenz, Unmut und Wut auftauchen. Solche „emotionalen Gewitter“ können schon mal für etwas Schrecken sorgen und uns in unserer friedvollen Harmonie stören. Doch ist dies wirklich so schlimm? Wenn wir dies als Mangel und Defizit erleben, dann vielleicht deshalb, weil wir das Vorhandensein von negativen Emotionen als Misserfolg werten – als Misserfolg beim Versuch, unser Selbstverwirklichungsprojekt mit den richtigen Methoden umzusetzen. Dabei verkennen wir jedoch, dass auch Aggressivität seinen festen Platz im Management haben sollte. Sie ist nicht wegzudenken und auch nicht wegzuwünschen. Denn sie muss sich nicht zwangsläufig als negative und zerstörerische Kraft zeigen, sondern kann sich auch als aufbauende und vorantreibende Energie erweisen. Dann ist Aggressivität sogar unbedingte Voraussetzung für Leistung und Erfolg. Dieser Gedankengang wird noch deutlicher, wenn wir uns der Frage zuwenden, was Aggressivität eigentlich genau ist und wie sie wirkt. Zunächst ist Aggressivität einmal die Bereitschaft zu angriffslustigem Verhalten – erlebbar auf gedanklicher und sprachlicher Ebene sowie auch im Verhalten. Die Aggressionsforschung hat Aggressivität darüber hinaus aus zwei Perspektiven untersucht. Mehr dazu im nächsten Blog.

Bob Schneider

09.07.2013

Wer reiten kann, kann auch führen!??


Wer reiten kann, kann auch führen!‘ Diese Aussage in einem Beratungskontext brachte mich ins Grübeln. Ist das wirklich so? Kann jemand, der reiten kann, automatisch auch führen?

Der Zufall wollte es, dass ich kurz zuvor mit dem Thema reiten und dem Umgang mit Pferden zu tun hatte. Mein ältester Sohn wollte reiten lernen, also hielt ich Ausschau nach einer passenden Reitschule, die Reitkurse anbietet. Dabei stiess ich auf eine Einrichtung, die sich dem ‚alternative horsemanship‘ verschrieben hat. Da ich mich grundsätzlich für alternative bzw. andere Denk- und Herangehensweisen interessiere, wurde ich neugierig und wollte mehr über diesen alternativen Umgang mit Pferden erfahren.

‚Alternative horsemanship‘ oder auch ‚natural horsemanship‘ sei ein sanfterer Umgang mit Pferden, hiess es da auf einschlägigen Internetseiten. Man versuche nicht, wie in der konventionellen Herangehensweise, das Pferd zu ‚brechen‘ und ihm den (menschlichen) Willen aufzuzwingen, sondern die Sprache des Pferdes zu erlernen und das Tier dort abzuholen, wo es gerade ist; dem Pferd auf Augenhöhe zu begegnen, und trotzdem klar den Lead zu übernehmen. Das brauche Einfühlungsvermögen, Beobachtung, Zeit zum ‚zuhören‘ und Präsenz. Es ist sogar von Authentizität die Rede. Und irgendwo fand ich die Aussage: ‚die grösste Arbeit ist die an dir selber‘.

Interessant! Hatte ich doch in jungen Jahren das Reiten aufgegeben, weil mir der Umgang mit den Pferden in der Reitschule, die ich damals besuchte, nicht entsprochen hatte (zu hart, zu autoritär...). Es gab also auch zu diesem Thema verschiedene Zugänge.

Selbstverständlich meldete ich die ganze Familie umgehend für ein gemeinsames halbtägiges Reiterlebnis an. Der Nachmittag begann, indem wir unter Anleitung der Besitzerin eine Pferdeherde in ihrem Verhalten beobachten mussten. Wir lernten, was geschieht, wenn sich ein Hengst mit seinen Stuten auf der Wiese befindet und ein weiterer Hengst dazukommt; wie eine Stute reagiert, wenn man sie aus der Herde entfernen will. Es hiess also erst einmal das Verhalten der Pferde beobachten und kennenlernen. Bodenarbeit nennt sich das. Dann erst ging‘s aufs Pferd. ‚Natürlich‘ ohne Sattel, ohne Trense und selbstverständlich ohne Peitsche. Man lernte mit dem Rhythmus des Pferdes mitzugehen und dann, mit sanften klaren Bewegungen, das Pferd zu lenken. Wir lernten, wie man ein Pferd mit ganz kleinen aber klaren Zeichen und mit mentaler Energie führen kann. Wirklich: ein ganz anderen Umgang mit Pferden, als ich ihn kennengelernt hatte!

(Nebenbei bemerkt: Ich bin absolut keine Fachfrau, was Pferde anbelangt - die Pferdefreaks unter Ihnen mögen mir Ungenauigkeiten verzeihen - aber ich war schlicht beeindruckt, um nicht zu sagen begeistert!)

Mitarbeiterorientierung, Empathie, Erkennen der Bedürfnisse der Mitarbeitenden, Begegnung auf der Beziehungsebene, etc. sind neben Authentizität, Selbstreflektion und Selbst-Vertrauen Anforderungen, die eine Führungskraft von heute erfüllen muss. Eine hohe Fachkompetenz und/oder eine hierarchische Position reichen nicht mehr, um sich als Führungskraft zu bewähren. Persönlichkeit ist gefragt. Das, was wir täglich in unseren EQ-Assessments anhand verschiedener Instrumente zu erfassen und zu prüfen versuchen. Wenn wir die KandidatInnen einfach auf ein Pferd setzen könnten, um Führungskompetenzen zu überprüfen, wär dies sicher einfacher und für unsere Auftraggeber kostengünstiger ;-).

Fazit: Reiten ist eben nicht gleich reiten. Wie führen nicht gleich führen ist. Es kommt auch hier auf das Wie an. Folglich könnte man sagen, einige, die reiten können, können auch führen. Und einige, die führen können, können nicht reiten. D.h., dass das eine das andere weder bedingt noch ausschliesst. Und die Frage nach dem Wie stets noch zu beantworten ist!

Herzlich

Ursula Stalder

PS: Wer mehr erfahren möchte zu ‚alternative horsemanship‘: Es gibt einen wunderschönen Dokumentarfilm zu dem Thema: ‚Der Weg des Pferdes‘, in voller Länge auf youtube zu sehen (http://www.youtube.com/watch?v=c3cA2qI2N5M). Wirklich verblüffend!