23.11.2011

Entscheidet Kopf oder Bauch?

Erinnern Sie sich noch an die letzte grössere Entscheidung, die sie getroffen haben? Vielleicht war es der Kauf eines Autos, eine wichtige Personalentscheidung oder die Ferienplanung mit der Familie. Können Sie nun die Argumente für die eine oder andere Alternative abschliessend aufzählen, gewichten und begründen?

Ich kann es nicht; nicht einmal beim Kauf eines neuen Handys. Für gute Entscheidungen ist eine seriöse Auseinandersetzung mit dem Entscheidungsgegenstand notwendig; beim Handykauf beispielsweise mittels einer Liste mit den notwendigen Funktionen, der Batterielaufzeit, dem Aussehen usw. - aber was soll ich nicht berücksichtigen? Je weniger eigene Erfahrungen ich mitbringe, desto mehr muss ich bewusst überlegen. Dabei stösst meine bewusste Verarbeitungskapazität schnell an Grenzen. Deshalb wähle ich dann den Weg, mich beraten zu lassen. Ich bespreche mein Vorhaben mit „Experten“. Aber welche Meinungen und Vorschläge soll ich beachten? Irgendwann kristallisiert sich dann doch eine Entscheidung heraus, ich kann auch ein paar gute Gründe nennen, werde meine Wahl aber nicht ins letzte Detail begründen können, immer spielt auch ein Bauchgefühl und Intuition mit: „Samsung spricht mich an“, „dem Meier vertraue ich“. …

Gefühle können in die Irre führen, oft sind sie aber schlauer als der Verstand!

Es geht mir nicht darum, den „Verstand“ zu verteufeln und die „Gefühle“ in den Himmel zu loben. Gefühlsmässig würden wir vermutlich immer noch behaupten, die Erde sei eine Scheibe. Wer seinen Gefühlen in esoterischer Ekstase blind vertraut und vernünftige Erwägungen ausblendet, stösst ebenso an Grenzen, wie ein analyseversessener Hyperrationalist. Beides hat seine Vor- und Nachteile. Diese gilt es bewusst zu nutzen. In psychologischen und neurowissenschaftlichen Untersuchungen (z.B. Gerhard Roth) konnten folgende zwei Hypothesen bestätigt werden:
  • Wer bereits Erfahrung auf einem Gebiet hat, kann sich meist auf sein Bauchgefühl verlassen. Ist man dagegen ein blutiger Laie, profitiert man häufig davon, sich mehr Zeit zu lassen, sich ausführlicher und bewusst mit der Situation auseinanderzusetzen.
  • Je unübersichtlicher und komplexer eine Situation ist, desto öfter versagt am Schluss die Analyse, und die Intuition entwickelt Vorteile.

Wenn wir zwischen Alternativen wählen, greift unser Gehirn auf eine Bibliothek von Erfahrungen und Gefühlen zurück, die es zuvor angesammelt hat. Im emotionalen Erfahrungsgedächtnis wird das Wissen in Form von Gefühlen und Körperempfindungen gespeichert, der Neurowissenschaftler Antonio Damasio nennt diese somatische Marker. An den meisten Entscheidungen, die wir in der Alltagssprache als „vernünftig“ ansehen, sind immer auch Emotionen beteiligt.

Fazit

Emotionen und damit verbundene Körperempfindungen stellen einen wesentlichen Bestandteil vernünftiger Entscheidungen dar. Maja Storch sagt: „Ein Kribbeln im Bauch oder ein Zittern im Knie kann unter Umständen mehr Einfluss auf Entscheidungen ausüben als zwanzig Aktenordner.“


Erwähnte Literatur:
  • Roth, G. (2007). Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten. Klett-Cotta
  • Storch, M. (2003). Das Geheimnis kluger Entscheidungen – von somatischen Markern, Bauchgefühl und Überzeugungskraft. Pendo: Zürich

Bis bald

Stephan Arnold

EQ-Blog@iek.ch

15.11.2011

Je älter je EQ?

Trifft diese Aussage zu? Mit steigendem Alter, nimmt die emotionale Kompetenz zu?

Wer kennt sie nicht die gescheiten Sprüche, dass mit dem Alter immer alles besser wird, d.h. dass man weiser, erfahrener und kompetenter wird. Vor allem als Kind hat man das doch immer wieder gehört. Warte nur, wenn du mal 20 bist, dann ist alles anders usw. Und wenn man 20 ist, heisst es: warte nur bis du 30 bist, dir fehlt noch die Erfahrung - und irgendwo zwischen 40 und 60 verstummen diese Aussagen langsam. Daraus darf man offensichtlich schliessen, dass sich in diesen altersmässigen Breitengraden Weisheit und Kompetenz in rauen Mengen angehäuft haben.

Und wenn man in der Politik um sich schaut oder in der Geschichte zurückblendet, scheint etwas dran zu sein. Schon die Indianer haben dem Alter offenbar per se Weisheit zugesprochen. Oder kennt ihr eine Indianergeschichte, wo nicht der Rat der Ältesten die grundlegenden, strategischen Entscheide gefällt hat? Wer der neue Häuptling wird, wo die Tippis aufgeschlagen werden, wer auf die Jagd geschickt wird.

Heute ist es ja eigentlich nicht viel anders. Ein überaltertes Parlament wählt einen noch älteren Präsidenten, ein gut eingesessener VR definiert die Strategie, entscheidet wohin der Geschäftssitz verlegt wird und die auch nicht wirklich junge Geschäftsleitung wählt den neuen Ressourcenmanager. Kurz; die „Alten“ bestimmen wo es lang geht. Dann müssten die „Alten“ ja eigentlich auch die Fähigsten sein, die wichtigen Entscheide zu treffen.

Zum Entscheiden und Führen braucht es Fachkenntnis und Führungsqualitäten. Erfolgreiches Führen und Leadership setzen emotionale Kompetenz voraus. Wenn praktisch alle Staatsoberhäupter zu den älteren Generationen zählen und man davon ausgehen kann, dass die Führung einer Nation Leadershipqualitäten voraussetzt, dann ist eigentlich auch klar, dass man im hohen Alter über emotionale Kompetenz verfügen muss. Ergo stimmt die Annahme, dass man mit zunehmendem Alter emotional kompetenter wird, oder?

Es scheint zwar tatsächlich so, dass mit dem Alter und einer gewissen Berufs- und Lebenserfahrung auch die sozialen und emotionalen Kompetenzen zunehmen. Aber ich glaube es wäre vermessen zu behaupten, dass emotionale Kompetenz, beim älter werden sozusagen automatisch und nebenher als Nebenprodukt anfällt. Auch emotionale Kompetenz muss man sich bewusst aneignen.

Bis bald

Simon Streit

EQ-Blog@iek.ch

09.11.2011

Schaumkronen auf dem Murtensee - Emotionen leben


Erlebnisbericht einer früheren "Soul-Surferin"

Windguru kündigt am iPhone Wind an - 4 bis 5 Beaufort auf dem Murtensee: Freude, Herzklopfen, Feldstecher suchen, Surfanzug entstauben, Segel aufriggen. Nun heisst es abwarten…!

14.00h, es geht los - der Himmel ist tiefblau, die Luft schmeckt nach Westwind, der Murtensee schimmert und ist voller fröhlich tanzender Schaumkronen. Mit wehenden Haaren, im Laufschritt geht’s Richtung See. Schmetterling kitzeln im Bauch und plötzlich meldet sich eine leise Stimme im Kopf und fragt ironisch, bist du dafür nicht langsam zu alt, weißt du überhaupt noch wie das geht.

Ein letzter Materialcheck und es kann losgehen.

Los geht’s im wahrsten Sinne des Wortes - der Wind füllt das Segel und ab geht’s, ruppig, unsanft, viel zu schnell und so gar nicht nach meinen Vorstellungen. Nach dem ersten Crash finde ich mich im kühlen Nass wieder und eines wird klar: Hier bin ich in keinster Weise meine eigene Chefin - hier drücken mir die Elemente ihre Kräfte auf.

Das gibt's doch nicht, denke ich immer noch nach Luft schnappend und im See liegend!

Ich stelle fest, dass die luftigen Schmetterlinge im Bauch weg sind und sich ein anderes Gefühl breit macht, ich werde wütend. Alleine auf dem Wasser und ungestört von lauschenden Ohren entfährt mir ein Urschrei gefolgt von ein paar Ausdrücken, die ich an dieser Stelle natürlich nie wiederholen würde und schon bin ich wieder unterwegs und fliege übers Wasser. Diese Mal jedoch konzentriert, zielorientiert, angespannt und kraftvoll - und plötzlich stelle ich fest, dass ich den Kurs bestimme und mein Brett und Segel kontrolliere. Erleichterung überfällt mich, gefolgt von Empfindungen, die ich am ehesten mit Power und Freude beschreiben würde - und ein riesiges Glücksgefühl überfällt mich.

Und noch ganz abschliessend bemerkt: Der Muskelkater am nächsten Tag hat nicht gefehlt.

Bis bald

Karin Grisenti

EQ-Blog@iek.ch

02.11.2011

Literatur zum Thema emotionale Kompetenz


Wie immer gibt es Unmengen von Lesestoff… zu den Bestsellern gehören die Publikationen von Daniel Goleman "Emotionale Intelligenz" und "Soziale Intelligenz". Ersteres ist meiner Meinung nach ein absolut empfehlenswertes Buch. Flüssig geschrieben wie ein Roman und leicht verständlich. Ein Buch, das begeistert und nach Lust auf "mehr" macht. Goleman hat weiter ein Buch zur Förderung der emotionalen Intelligenz bei Kindern und Jugendlichen geschrieben. Letzteres finde ich aber weniger gelungen; es greift mit seinem Fokus auf Entspannung und Konzentration zu kurz.

Ein weiteres, sehr empfehlenswertes Buch von Daniel Goleman, ist die in Dialogform verfasste Publikation: "Die heilende Kraft der Gefühle: Gespräche mit dem Dalai Lama über Achtsamkeit, Emotion und Gesundheit". In einem spannenden Dialog zwischen westlichen Wissenschaftlern verschiedener Fachgebiete und dem Dalai Lama erfahren wir, wie die Erkenntnisse der introspektiven Geisteswissenschaften des Ostens von Ergebnissen der experimentellen Naturwissenschaften des Westens bestätigt werden: Der Buddhismus besitzt wirkungsvolle praktische Methoden, die Macht der Emotionen als Heilmittel einzusetzen.

Wer es gerne wissenschaftlicher hat, wende sich dem Buch von Ralph Schulze "Emotionale Intelligenz" zu. Hier findet man einen umfassenden Überblick zum aktuellen Forschungsstand des Themas, zudem weiterführende Literatur und Querverweise. Gut strukturiert, auf einem wissenschaftlich anspruchsvollen Niveau, als Bettlektüre eher weniger geeignet. Wer Fachartikel liebt, dem würde ich die sehr gute Sammlung wichtiger und kritischer Fachartikel zum Thema (Besonders: Krell und Weiskopf: "Leidenschaften als Organisationsproblem" und Rastetter: "Emotionsarbeit - Betriebliche Steuerung und individuelles Erleben") empfehlen.

Eine Mischung von beidem findet man in Prof. Wolfgang Seidels Buch: "Emotionale Kompetenz, Gehirnforschung und Lebenskunst", welches eine Mixtur von persönlichen Erfahrungen und Erkenntnissen und wissenschaftlichem Forschungsstand bietet. Die Erfahrungsberichte sind faszinierend zu lesen und überwiegen eher. Kritischen Lesern mit Drang zu wissenschaftlichem Mehr-Wissen dürfte das Buch möglicherweise etwas zu populär-wissenschaftlich daherkommen.

Ein wissenschaftlich fundiertes Praxishandbuch ist das "Training emotionaler Kompetenzen" von Prof. Matthias Berking. Das Buch konzentriert sich v.a. auf den Ausbau der Fähigkeit, konstruktiv mit belastenden Gefühlen umzugehen. In einem theoretischen Teil werden die neusten wissenschaftlichen Erkenntnisse dargelegt. Im Praxisteil, der den Hauptteil des Buches ausmacht, kann dann an konkreten Beispielen und Übungen der konstruktive Umgang mit verschiedensten belastenden Gefühlen trainiert werden. Empfehlenswert, allerdings etwas "kognitiv-verhaltenstherapie-lastig".

Literatur
  • Berking, Matthias: "Training emotionaler Kompetenzen", Springer Verlag 2008.
  • Goleman, Daniel: "Emotionale Intelligenz", Deutscher Taschenbuch Verlag.
  • Goleman, Daniel: "Soziale Intelligenz", Droemer/Knaur 2009 
  • Goleman, Daniel, Lantieri Linda: "Emotionale Intelligenz für Kinder und Jugendliche", Goldmann Arkana Verlag.
  • Goleman, Daniel; Boyatzis, Richard; McKee, Annie: "Emotionale Führung", Econ Verlag.
  • Goleman, Daniel: "Die heilende Kraft der Gefühle: Gespräche mit dem Dalai Lama über Achtsamkeit, Emotion und Gesundheit ", dtv Verlag.
  • Seidel, Wolfgang: " Emotionale Kompetenz, Gehirnforschung und Lebenskunst" 
  • Schulze, R., Freund. P.A., Roberts R.D.: "Emotionale Intelligenz. Ein internationales Handbuch", Hogrefe, Göttingen 2006. 
  • Schreyögg, Georg und Sydow, Jörg (Hrsg.): "Emotionen und Management", (Managementforschung 11), Gabler Verlag.

Bis bald

Ursula Stalder

EQ-Blog@iek.ch