21.03.2012

Zwischen Empathie und Projektion

Talli ist witzig, neugierig, intelligent und vor allem ist er süss. Er freut sich seines Lebens, mag Menschen und ist immer guter Laune. Talli - der junge Trüffelhund, der sich in mein Herz geschlichen hat und seit bald 18 Monaten zu unserem Alltag gehört.

Es ist Donnerstag, ein vollgepackter Arbeitstag neigt sich dem Ende entgegen und langsam wird es Zeit für mich, ins abendliche Pilates -Training zu fahren. Da sitzt er nun stramm auf seinem Hintern und schaut unverwandt zu mir hoch. Ist das jetzt ein trauriger oder sogar schon ein vorwurfsvoller Blick, der mich da unvermittelt aus diesen braunen Hundeaugen trifft? Will er mir etwa mitteilen, dass er doch heute noch gar nicht auf seine Rechnung gekommen ist und er entschieden gegen meine Fitness-Studio-Pläne, dafür um so mehr für einen langen gemeinsamen Spaziergang ist?

Ich bin doch keine Raben-Hundemutter! Schlechtes Gewissen überfällt mich und das Pilates-Training ist auf morgen verschoben.



Auf der Heimfahrt kreisen meine Gedanken um die Frage, inwiefern Hunde wohl wirklich echte Emotionen haben können. Kann Talli denn tatsächlich einen vorwurfsvollen Blick haben? Kann er wirklich traurig sein und ist das ein guter Grund, meine Pläne danach auszurichten? Was ist echt und was nur Einbildung? Wo ist die Grenze zwischen einer halbwegs empathischen Hundebesitzerin und einer „fanatischen Hündelerin“ voller Projektionen? Wann empfinde ich wirklich mit dem Hund – und wann bilde ich mir dies bloss ein? Wann wird der Hund zur Projektionsfläche für irgendwelche Bedürfnisse oder Ängste, die mehr mit dem Hundebesitzer als mit dem Hund zu tun haben?

Ich komme zum Schluss, dass ich diese Fragen wohl nie mit letzter Gewissheit werde beantworten können. Und ganz automatisch mache ich einen Vergleich dazu, wie sich diese Sache mit der Empathie bei den Menschen untereinander verhält. Gibt es nicht auch da immer wieder Situationen, in denen es sich lohnt genauer hinzuschauen und zu überprüfen, wo die Empathie aufhört und die Projektion beginnt? – Ich denke schon. Ein wesentlicher Vorteil, den die Menschen allerdings im Kontakt untereinander haben liegt darin, dass sie sich gegenseitig fast jederzeit fragen können. Wir können unsere Mitmenschen fragen, ob unser Gefühl oder unser Eindruck stimmt. Und wir können dann eine Antwort bekommen. Vielleicht sollten wir dies öfters tun und von diesem natürlichen Vorteil vermehrt Gebrauch machen.

Und bei Talli werde ich mir einfach Mühe geben, einen pragmatischen Umgang mit seinen und meinen Bedürfnissen zu finden. Einmal Pilates-Training und einmal langer Hundespaziergang.


Bis bald

Karin Grisenti

EQ-Blog@iek.ch