01.07.2014

Tanzende Emotionen


Stolz, anmutig und temperamentvoll - wenn die Freude am Tanzen so zum Ausdruck gebracht werden kann, dann ist es einfach nur schön, einer Tänzerin oder einem Tänzer zuzuschauen. Mir persönlich hat es der Flamenco angetan. Ich kaufte mir vor einiger Zeit genagelte Schuhe und einen schwingenden Rock und startete als blutige Anfängerin einen Flamencokurs. Mit Motivation, viel Freude und dem inneren Bild vor Augen, selber einmal eine stolze und anmutige Flamencotänzerin zu sein. Ich ging davon aus, dass ich den Flamencotanz einigermassen rasch würde lernen können. Da hatte ich aber die Rechnung ohne die komplizierten Flamencoschritte und –techniken gemacht! Es wurde nämlich richtig anstrengend und der Weg zu den kleinen Fortschritten war irgendwie plötzlich mit den beruflichen Wegen vergleichbar: Alles braucht seine Zeit, es braucht Übung und Durchhaltewillen, bevor sich der Erfolg einstellt - selbst beim Tanzen.

Eigentlich hatte ich diese Tanzlektionen als kleine Auszeit angedacht, zum Entspannen und auch, um aus dem oftmals anstrengenden Berufs- und Familienalltag auszuklinken. Schlussendlich konfrontierten mich eben diese Auszeiten mit Emotionen, die mich manchmal unerwartet an mir arbeiten liessen. Sei dies aus lauter Verzweiflung, weil nach der x-ten Fusstechnikwiederholung mein Gehirn resp. meine Füsse streikten, nur weil plötzlich auch der rechte Arm zu eben dieser Fusstechnik eine kleine Zusatzbewegung machte. Oder weil mein Rhythmusgefühl überhaupt nicht den Vorstellungen meiner Tanzlehrerin entsprach. Oder wenn eine Mitschülerin eben all diese Herausforderungen scheinbar mit links schaffte… Dass ich mit diesen oder ähnlichen Gefühlen nicht alleine dastehe, bestätigte mir unsere Tanzlehrerin. Sie beobachtet nämlich immer wieder Schülerinnen, die bspw. beruflich sehr erfolgreich im Leben stehen und dann plötzlich an sich, ihren Fähigkeiten und ihrer Intelligenz zweifeln, weil sie bei einer eigentlich einfachen Schrittkombination einfach nicht weiterkommen. Genau dieses Phänomen – wenn also der Körper plötzlich nicht mehr das macht, was der Kopf will – blässt sich aber ziemlich einfach erklären. Beim Tanzen ist das Zusammenspiel von Kopf und Körper zentral. Alle Abläufe müssen im Gehirn zuerst gespeichert werden. Das funktioniert hier am besten mit einfachen Wiederholungen, die langsam gesteigert werden. Sobald diese Wiederholungen leicht geändert werden, beispielsweise durch eine zusätzliche Schritt- oder Armbewegung, fängt oftmals alles von vorne an. Den Bogen in die Arbeitswelt mit diesem "Phänomen" haben übrigens auch unlängst Neurowissenschaftler und Personalmanager gemacht – es gibt dazu zahlreiche Artikel im Internet.

Wieso ich trotz diesen Herausforderungen immer noch Freude am Tanzen habe? Wenn ich eben diese Fusstechniken verinnerlicht und den Punkt überwunden habe, ständig über die Theorie nachzudenken und plötzlich einfach im Flow oder im Gefühl tanzen kann, dann komme ich diesem Bild von der stolzen, anmutigen Tänzerin doch schon recht nahe. Und eigentlich ist es ja im Berufsleben auch oft so: Nach einer intensiven Zeit mit Wissen aneignen kommt irgendwann der Punkt, in dem die Arbeit beinahe von selber läuft und man aus dem Vollen schöpfen kann.

Ich wünsche Ihnen viele schöne Tanzerlebnisse!

Janine Hirschi

EQ-Blog@iek.ch