28.03.2013

Können Introvertierte Führen? Teil II


Als Person mit einem vergleichsweise hohen Anteil Introversion muss ich mich auch einmal anstrengen, um gehört zu werden. Beim Selbstmarketing und „Socialising“ werde ich auf den ersten Blick vielleicht als eher zögerlich und zurückhaltend eingeschätzt. Ich habe aber auch die Erfahrung gemacht, dass man sich mit Stetigkeit und auf ruhigere Art und Weise ebenfalls Vertrauen und nachhaltige Beziehungen aufbauen und sich Gehör verschaffen kann. Lange habe ich gezweifelt, ob ich als eher introvertierte Person überhaupt das Potenzial zur Führungskraft mitbringe. Inzwischen bin ich überzeugt, dass mittel- und längerfristig die Qualität zählt und es dabei nicht primär auf die „Lautstärke“ und auf andere, mit Extroversion einhergehende Eigenschaften, ankommt.

Die „Qualität“ bzw. die erfolgsrelevanten Faktoren von Führungskräften liegen nicht in den Dimensionen Extraversion vs. Introversion begründet. Ronald E. Riggio beispielsweise legt in einem Artikel aufgrund empirischer Studien dar, dass Extraversion keine zwingende Eigenschaft von Führungskräften ist und es hauptsächlich auf die sogenannten social and emotional skills ankommt. „Recent research evidence suggests that while extraversion is predictive of many positive social outcomes, it may not be extraversion itself that matters. Instead, it may be possession of social skills or competencies that are better predictors of social outcomes than personality constructs such as extraversion.“ Einmal mehr wird hier auf die besondere Rolle von Empathie und emotionaler Intelligenz aufmerksam gemacht, wenn es um die Bestimmung der relevanten Erfolgsfaktoren von Führungskräften geht. „If extraverts make better leaders, why isn't Robin Williams president?“ lautet der Untertitel des Artikels von Riggio. Extravertierte Manager ohne EQ mögen es mit ihrer guten Show oftmals weit bringen, was aber nicht heisst, dass sie per se gute Führungskräfte sind. Mit gut ausgeprägten emotionalen und sozialen Kompetenzen hingegen kann eine introvertierte Person eine exzellente Führungskraft sein bzw. werden.

In Bezug auf die Führungskompetenz sind es Sozialkompetenzen und emotionale Kompetenzen, welche die mit Extraversion oder Introversion verbundene Eigenschaften zum grössten Teil überstrahlen. „Think of extraversion as a potential for social effectiveness—a sort of social "energy." But if the person lacks the social skills* to direct that energy, then the person will not be socially effective. Conversely, socially skilled intraverts should do well in social interaction, but in a more low-key manner.“ Im Umgang miteinander zählen letztlich die emotionalen und sozialen Kompetenzen und insbesondere gegenseitiges Verständnis und Authentizität. Bei diesen Eigenschaften glaube ich, doch mindestens im durchschnittlichen Bereich zu liegen und somit auch Führungsrollen angemessen wahrnehmen zu können.

Natürlich ist ganz allgemein weder Extraversion noch Introversion besser oder schlechter. Beide Eigenschaften sind mit je eigenen Stärken und Schwächen verbunden. In unserer lauten und schnellen Welt erlebe ich es aber schon so, dass Schlagfertigkeit eher belohnt wird, als Nachhaltigkeit, obwohl langsamere, stillere Zeitgenossen vielleicht reflektiertere und bessere Antworten geben könnten, wenn sie nur die nötige Zeit dazu bekämen. Vielleicht wird in Zukunft Innovationskraft weniger mit Aktionismus, Charisma weniger mit Showtalent oder Durchsetzungsvermögen weniger mit Dominanz gleichgesetzt und wir kommen einer „Gleichstellung“ zwischen Extravertierten und Introvertierten näher (so wie wir auch an einer Gleichstellung zwischen Frau und Mann arbeiten).

Zur Beantwortung der Frage im Titel: Auch wir Introvertierten können führen, wenn vielleicht auch etwas anders als Extrovertierte! Wichtig ist vor allem die notwendige Portion emotionaler Kompetenz.

Bis bald

Stephan Arnold

EQ-Blog@iek.ch


* „We break down social skills into two types of competencies: emotional competencies and social competencies.“

Können Introvertierte Führen? Teil I

19.03.2013

Katja Riemann und das verunglückte Interview – was lief hier falsch?


Ich bin mir nicht sicher, was wirklich im Kopf der Schauspielerin Katja Riemann vorging, als sie auf dem roten Sofa des NDR für ein Interview Platz nahm. Der Moderator Hinnerk Baumgarten wollte vermutlich ein „ganz normales Interview“ mit ihr machen, so wie er dies wohl schon x mal gemacht hatte – doch das ging dann voll daneben! Es war derart peinlich, dass es schon fast wieder sehenswert ist. Doch was ist genau passiert? Hier eine kurze Analyse aus iek-Sicht:

Für mich ist dies zunächst einmal ein typisches Beispiel dafür wie es ist, wenn zwei Menschen völlig aneinander vorbei reden. Während der Moderator – wohl eher naiv als berechnend – seine grösstenteils ziemlich belanglosen Fragen routinemässig abspulen wollte, war Katja Riemann offensichtlich nicht dazu bereit, dieses Spiel mitzumachen. So reagierte sie zwar sehr authentisch auf seine Fragen, war jedoch nicht willens, auf der Ebene des belanglosen Interview-Smalltalks Zeit zu vertreiben, sondern amüsierte sich dabei, mit überraschenden Antworten den Gesprächsfluss immer wieder ins Stocken zu bringen. Ob sie sich dabei insgeheim etwas rächen wollte dafür, dass der Moderator mit seiner ersten Frage – wahrscheinlich ungewollt, aber doch auch ziemlich unbedacht – bei ihr eine grosse Betroffenheit ausgelöst hatte, oder ob sie sich einfach grundsätzlich über diese oberflächliche Art von Interviews lustig machen wollte, bleibe einmal dahingestellt. Jedenfalls ist sie ja eine derart gute Schauspielerin, dass sie es eigentlich nicht nötig hätte, sich auf diese Art eine noch grössere Publicity zu verschaffen. Vielleicht war es aber auch ganz anders. Vielleicht war das ganze Interview von der Fernsehanstalt von A bis Z inszeniert und es ging nur darum, mit einem derart missglückten TV-Beitrag den NDR wieder vermehrt ins Gespräch zu bringen über Youtube, Facebook usw.?

Und last but not least noch folgender Gedanke. Spätestens bei der zweiten Betrachtung des Interviews wird deutlich: So seltsam dieses Interview insgesamt auch erscheinen mag, so gibt es dennoch zumindest einige Dinge, die man dabei über Katja Riemann erfährt und die man in einem „ganz normal gelungenen Interview“ wohl nicht erfahren hätte. Doch schauen Sie selbst. Viel Spass!



Bob Schneider

06.03.2013

Ein Land im Glück - oder dort, wo Glück als Staatsziel definiert ist


Kürzlich bin ich im Netz über einen Artikel gestolpert, der mich faszinierte und irgendwie auch nachdenklich stimmte:
Er handelte von Bhutan, einem Land in Südasien, das etwa so gross wie die Schweiz ist. Im Süden grenzt es an die indischen Bundesstaaten und im Norden an Tibet. Was das Land aber so anders macht, ist der ehemalige König Jigme Singye Wangchuk, der Erfinder vom „Bruttonationalglück“. Bereits vor mehr als 30 Jahren entschied er, das Bruttonationalglück über das Bruttonationaleinkommen zu stellen. Nicht Wirtschaftswachstum sollte das wichtigste Entwicklungsziel des Landes sein, sondern das „Bruttonationalglück“. Damit ist gemeint: Jeder Mensch in Bhutan soll so glücklich wie möglich leben können und die Regierung schafft entsprechende Rahmenbedingungen. Zur Information an dieser Stelle die Definition im Wikipedia von „Bruttonationalglück (BNG)“: Es ist der Versuch, den Lebensstandard in breit gestreuter, humanistischer und psychologischer Weise zu definieren und somit dem herkömmlichen Bruttonationaleinkommen, einem ausschließlich durch Geldflüsse bestimmten Maß, einen ganzheitlicheren Bezugsrahmen gegenüberzustellen.

Im 2006 übernahm der Sohn des früheren Königs die Macht und 2008 fanden in Bhutan die ersten Wahlen statt. Seitdem gibt es eine Verfassung, in der Bruttonationalglück als Staatsziel verankert ist. Der junge König hat die Prämissen seines Vaters, die zu mehr Glück der Untertanen führen sollen, weitestgehend übernommen. Dazu gehört neben einer „guten Regierungsführung“ ein nachhaltiges und gerechtes Wirtschaftswachstum, der Erhalt der bhutanischen Kultur und Umweltschutz. 60 Prozent des Landes stehen unter Naturschutz, insbesondere die einzigartigen Himalayawälder, die in Nepal oder Tibet rücksichtslos abgeholzt wurden. Wer in Bhutan einen Baum fällt, muss zwei dafür nachpflanzen. Allerdings gab und gibt es auch viele Vorschriften: Zu offiziellen Anlässen müssen die Menschen traditionelle Kleidung tragen. Häuser dürfen nur im bhutanischen Stil gebaut werden. Rauchen, Werbung und Plastiktüten sind untersagt.

Diese menschenfreundliche Politik liegt an der buddhistischen Tradition des Landes. Nächstenliebe und Toleranz stehen seit jeher im Zentrum der Religion. Die Überwindung von Gier und anderen Schwächen soll zu innerer Ausgeglichenheit und Glück führen. Nach buddhistischer Vorstellung ist ein Zustand des Glücks sogar der ursprüngliche Zustand, in dem sich jeder Mensch befindet, der nicht von bösen Gedanken beherrscht wird. Durch Meditation und andere religiöse Praktiken kann er diesen Zustand wieder erreichen – als dauerhaften Zustand. Damit ist Glück nicht nur ein Moment kurzer Euphorie, wie wir uns im Westen dies meistens vorstellen. Der Besitz materieller Güter macht nach buddhistischen Vorstellungen nicht glücklich, wird aber auch nicht kategorisch abgelehnt. Vielmehr geht es darum, materielle und spirituelle Bedürfnisse in Einklang zu bringen.

Bei dieser Gelegenheit habe ich mir die 94 Seiten der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 zu Gemüte geführt und festgestellt, dass bei uns dem Wort „Freiheit“ sehr viel mehr Platz eingeräumt wird. Aber tatsächlich, mit dem Suchbegriff „Glück“ landete ich einen Treffer und musste dann doch ein wenig schmunzeln: „Übergangsbestimmung zu Art. 106 (Glücksspiele)“.

Jetzt könnte hier eine Diskussion über die Definition von Glück und „glücklich sein“ folgen…

Weitere Infos finden Sie:
http://www.welt.de/debatte/die-welt-in-worten/article13604103/Glueck-statt-Wachstum-als-Regierungsziel.html
http://www.zeit.de/2011/49/Kapitalismuskritik-Bhutan
http://de.wikipedia.org/wiki/Bruttonationalgl%C3%BCck

Ich wünsche euch einen schönen Tag und dass das Glück euch findet.

Karin Grisenti Schneider

EQ-Blog@iek.ch