05.04.2012


Monolog vs. Dialog




Was haben Kindererziehung und Autofahren miteinander zu tun? Eigentlich gar nichts, denken Sie spontan. Oder vielleicht doch? Bei mir haben sie auf jeden Fall eine frappante Gemeinsamkeit. Bei beiden gerate ich mit schöner Regelmässigkeit an meine emotionalen Grenzen. Und dies, obwohl ich Autofahren eindeutig zu meinen Kernkompetenzen zähle (viele andere offenbar auch). Dass ich Autofahren kann, oder zumindest darf, habe ich mit einem Ausweis verbrieft, da gibt’s also keine Zweifel. Dass ich so kompetent bin und ein Kind erziehen kann, wird von der Gesellschaft vorausgesetzt und vermutet. Jedenfalls ist die Kindererziehung bis heute noch prüfungsfrei und jedem erlaubt. Aber das ist ein anderes Thema.
Die Gründe, wieso ich beim Kindererziehen und Autofahren immer wieder - und manchmal auch ziemlich rasch - aus der Haut fahren könnte, sollen hier aber nicht aufgedeckt werden. Es wäre ein zu weites Feld und würde einen zu tiefen Einblick in die Seele des Bloggers gewähren. Der Fokus liegt mehr beim unterschiedlichen Umgang mit den Emotionen.   

Beim Autofahren kann ich meine Gefühle hemmungslos und unverblümt verbalisieren, meinem Rückspiegel alles anvertrauen und richtig vom Leder ziehen. Nach diesem befreienden, nicht immer ganz jugendfreien, „Monolog“  geht’s mir viel besser und der Ärger ist bald einmal verraucht. Aber gelöst ist nichts. Der oder die andere ist im Verkehr verschwunden und hat wahrscheinlich gar nicht mitbekommen, wie ich mich geärgert habe und wird sich immer wieder so verhalten. Und ich werde mich immer wieder ab ähnlichen Situationen aufregen. Insofern ist mein „Monolog“ nicht viel mehr als Dampf ablassen, aber immerhin.
Bei der Kindererziehung widerstehe ich den Versuchungen, mich ebenso laut zu äussern, manchmal nur knapp. Denn der Dreikäsehoch spielt gekonnt auf der Klaviatur der Emotionen seiner Eltern und kann ganz schön nerven. Grenzen auszuloten, gehört offenbar zum Erwachsenwerden. Dagegen ist kein Kraut gewachsen, dem stelle ich mich mittlerweilen mit Geduld und Gleichmut.
Im Unterschied zum Autofahren habe ich bei Meinungsverschiedenheiten mit dem Dreikäsehoch ein Gegenüber und somit die Möglichkeit zu kommunizieren, meinen Standpunkt klar zu machen und durchzusetzen. Das ist nicht immer einfach, mache ich aber mit Einfühlungsvermögen, Respekt und Wertschätzung. In den meisten Fällen auch mit der notwendigen Klarheit und Bestimmtheit. Im grossen und ganzen fahre ich mit Zuhören und Erklären eigentlich ganz gut. Rückschläge gibt’s natürlich immer wieder. Aber am Schluss des „Dialogs“ sind wir in der Regel beide zufrieden, dass wir das Problem gelöst haben und uns wieder verstehen und vertragen. Die Nerven sind beruhigt, die negativen Gefühle machen langsam wieder positiven Gefühlen Platz und im besten Fall freuen wir uns schon wieder auf etwas Neues.
So ein „Dialog“ ist anspruchsvoll, mühsam durchzustehen und zeitraubend. Wenn alles durchgestanden ist, macht es aber auch viel Freude, dass wir zusammen weitergekommen sind und aus dem Konflikt etwas dazu gelernt haben. Deshalb spricht eigentlich alles für den Dialog und nichts für den einsamen Monolog im Auto, oder?
Ich wünsche Ihnen schöne Osterferien und hoffe, dass Sie in keinen Verkehrsstau kommen.  Falls doch, gehen Sie sparsam mit Monologen um….

Freundliche Grüsse Simon Streit