20.02.2013

Meine Spuren

Es war letzte Woche. Wir waren mit der Familie in einem kleinen Skiort in der Sportwoche und genossen den Winter. Ich hatte ein paar Stunden „familienfrei“ und war alleine auf der Piste unterwegs. Ich liess mich vom Lift auf 3000 Meter hinauf schleppen, gut eingemummelt weil der Wind stürmisch und kalt ins Gesicht blies. Hinter mir und vor mir war keine Menschenseele zu sehen und je weiter hinauf ich kam, desto dicker wurden die Wolken und beissender der Wind. Es war schon fast ein wenig gespenstig, so alleine im dichten Nebel unterwegs zu sein. Links und rechts blies der Wind Schnee über die Felskuppen, hoch in den Himmel hinauf. Ein schönes Naturschauspiel. Nach dem Abbügeln schnallte ich mir mein Snowboard an und wollte aufstehen. Eine Böe erfasste mich und warf mich kopfüber in den Neuschnee. Der zweite Versuch gelang besser. Der Wind erfasste mich und trieb mich auf der Traverse fast wie von magischer Hand vorwärts. Zum Glück genau in die richtige Richtung, denn mit dem Snowboard sind flache Traversen eher mühsam zu fahren. Dank den roten Stangen konnte man erahnen, wo die Piste sein musste. Sehen konnte man sonst praktisch nichts. So hatte ich mir meinen „Ausritt“ nicht vorgestellt.

Ich versuchte mich gerade etwas besser zu orientieren, als auf einmal der Himmel aufriss, die Wolken wie von magischer Hand weggewischt wurden und blauer Himmel und Sonnenschein zum Vorschein kamen. Es war wie im Märchen. Vor mir lag eine zauberhafte verschneite Winterlandschaft mit einem jungfräulich unberührten Tiefschneehang, der parallel zur Piste in ein kleines mit Felsen durchsetztes Tal hinabführte. Traumhaft! Und was für ein Kontrast zu dem eben noch vorherrschenden, undurchdringbaren Nebel. 

Eigentlich war alles klar, da musste ich runter. So was erlebte man nicht alle Tage. Aber auf einmal war mir dann doch noch etwas mulmig zu mute. Alleine auf weiter Flur, keine anderen Skifahrer oder Boarder sichtbar. Und wie lange behält die Sonne die Oberhand. Was ist wenn ich stürze und kaum mehr aus dem Powder herauskomme? Ich versuchte das Risiko so gut als möglich abzuwägen, prüfte noch den Empfang auf dem Handy und tauchte dann mit etwas Herzklopfen in den Hang hinein. Schon nach ein paar Metern waren alle Zweifel verflogen. Ich konnte es noch. Fast schwerelos und ohne Kraftanstrengung glitt ich hinunter. Eine schöne Kurve reihte sich an die andere und der aufgewirbelte Pulverschnee glitzerte in der Sonne wie Diamanten.

Was für ein erhabenes Gefühl in dieser Stille lautlos hinabzusausen und wunderbare Spuren zu hinterlassen. Unten angekommen, schaute ich lange zurück und liess das Bild auf mich wirken. Die Glückseligkeit pur! Das Zusammenspiel von Risikobereitschaft, Können und Erfolg war einfach kribbelig schön.

Heute sehe ich auch Pulverschnee, wenn ich aus dem Bürofenster hinaus schaue, doch jetzt habe ich mein Board wieder mit Laptop und Telefon vertauscht. Gerne würde ich in meinem Arbeitsalltag manchmal noch ein bisschen mehr von diesem „anderen Pulverschneegefühl“ spüren!

Bis bald

Simon Streit

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