17.08.2012

Emotionales Wechselbad

Ferienzeit ist Reisezeit. Wir haben diesen Sommer mit unserem 6-jährigen Sohn eine Tour mit dem Motorhome durch die Nationalparks des Südwestens der USA geplant. Ein Monat Ferien am Stück ist etwas eher Einmaliges und ein Trip mit dem Camper durch die Wildnis so oder so etwas, das man nicht so schnell wieder machen wird. Umso mehr haben wir uns auf dieses Erlebnis gefreut und geplant, was wir alles unternehmen wollten.

Die "gefürchteten" Einreiseformalitäten für die USA hatten wir elektronisch glücklich bewältigt, den Nationalpass für die Parks im Gepäck und die letzten Reservationsbestätigungen für die beliebtesten Parks erhalten. Im Büro waren die Dossiers übergeben, die Pendenzen abgearbeitet und das Pult fein säuberlich aufgeräumt. Mit anderen Worten, wir waren "ready for take off".

Und zweitens kommt es anders als man denkt. Den ersten Zug nach Zürich haben wir noch ganz knapp erwischt, obwohl sich unser Taxichauffeur verschlafen und uns versetzt hatte. Aber es hat noch gereicht. Umso grösser die Entspannung und wohlige Freude, als sich der Zug pünktlich in Bewegung gesetzt hat. Wer kennt es nicht, das befreiende Gefühl, wenn nach den letzten hektischen Momenten, dann endlich die Ferien tatsächlich beginnen und man die letzten Sorgen zu Hause lässt.

So auch wir. Das ersehnte Reiseziel kam schon ein wenig näher und in ein paar Stunden würden wir über den Wolken Richtung Westen schweben. Ahh tat das gut ! Noch ein Espresso von der Mini Bar, sich rasch vergewissern ob der Pass nun tatsächlich in der Jacke und nicht mehr auf dem Küchentisch ist usw. Nichts Aussergewöhnliches. Das Einchecken ging überraschend schnell und einfach, auch beim Security Check konnten wir die Beamten rasch wieder beruhigen und die vermeintliche Rohrbombe als Verpackungsröhre der Pringles-Chips entlarven. Die langersehnten Ferien wurden immer greifbarer.
Nach 2 Stunden freudiger Langeweile in der Abflughalle begann das Boarding mit nur 20 Minuten Verspätung. Kein Problem, das sollte noch reichen um den Anschlussflug in Philadelphia zu erreichen. Nur kein Stress, es kommt alles gut. Amerika wir kommen! Freude herrscht!



Wir haben uns angeschnallt, die Cockpit Türe ging runter, das Flugpersonal hat die over head Fächer mit Schwung zugeknallt, die Passagiere ein letztes Mal gezählt und dann…

Hat sich unser Sohnemann über Kopfweh und Bauchschmerzen beklagt, sich gleich darauf übergeben müssen, erschöpft seinen Kopf in den Schoss der Mutter gelegt und gesagt er sei sehr müde er möchte schlafen. Wir waren völlig perplex, verstanden die Welt nicht mehr und versuchten zu begreifen, was da eben passiert war und was unserem Kind fehlte. Äussere Anzeichen gab es keine, kein Fieber, nur noch etwas Kopfweh. War es nur die Aufregung? Eine kleine Sommergrippe? War es das warme Buttergipfeli in der Abflughalle gewesen? Oder bahnte sich etwas Gravierendes an? Wir waren wirklich ratlos.
Es war fast wie im Film. Nur waren wir diesmal die Hauptdarsteller, beobachtet von 200 Flugpassagieren, die einen mit vorwurfsvollen und wütenden Blicken anstarrten, als der Abflugprozess gestoppt, das Flugzeug wieder angedockt und die Türe wieder geöffnet wurde. Der Flugkapitän wollte einen Notarzt an Bord holen lassen, um zu klären, ob er mit uns an Bord losfliegen kann oder nicht.
Da haben wir uns entschlossen wieder von Bord zu gehen und unseren Ferientraum platzen zu lassen. Innerhalb ein paar Minuten hat sich die wohlige Vorfreude auf die Ferien in Sorge und Angst um die Gesundheit unseres Sohnes und in eine riesige Enttäuschung gewandelt.
Nach dem wir vom Airport-Medical Center ins Kinderspital geschickt worden waren, konnten wir kurz vor Mitternacht, zum Glück zusammen mit unserem Sohn, wieder nach Hause fahren. Unsere "Reise" hatte etwas weniger lange gedauert als geplant, hat uns aber durch ein unglaubliches Auf und Ab von Gefühlslagen geführt und das emotionale Wechselbad war eine echte Herausforderung gewesen. Nicht unbedingt zur Nachahmung zu empfehlen. Aber am Schluss dieses langen Tages, waren wir trotz allem einfach froh, dass die Diagnose nicht gar so schlimm war, wir uns richtig entschieden hatten und es nicht schlimmer ausgegangen ist. Zum Glück hatte das Flugzeug Verspätung gehabt, sonst wären wir bereits in der Luft gewesen und hätten vielleicht irgendwo in der "Pampa" zwischenlanden und von Bord gehen müssen.
Ich hoffe Ihre Ferien sind etwas ruhiger verlaufen…
Bis bald
Simon Streit