Ich war in den letzten Tagen zweimal mit dem Auto auf derselben Strecke Langnau-Burgdorf unterwegs. Bei der ersten Fahrt war ich etwas spät unterwegs und hatte das Gefühl, ein Opfer verschiedener ärgerlicher Umstände zu sein. Gerade jetzt, wo ich es eilig hatte, wurden mir verschiedene Hindernisse zum Vorwärtskommen in den Weg gestellt. Mein Ärger wurde in meinem Empfinden durch das Verhalten anderer Personen bzw. durch äussere Umstände und Ereignisse verursacht. Nach der zweiten Fahrt, bei der ich nicht unter Zeitdruck stand, konnte ich am Bahnübergang einem schönen Song lauschen, der gerade im Radio lief, und ich beobachtete die verschiedenen Verkehrsteilnehmer und hing meinen Gedanken nach. Auch wenn es einmal stockend vorwärts ging, konnte ich die Fahrt schon fast meditativ geniessen.
Was hatten geschlossene Barrieren, landwirtschaftliche Fahrzeuge, die meine Höchstgeschwindigkeit begrenzten, oder der stockende Innerortsverkehr mit meinen unterschiedlichen Gefühlslagen zu tun? Wenn ich es genauer bedenke, eigentlich nichts. Beide Male war ich ähnlichen äusseren Umständen und Verhaltensweisen anderer Personen ausgesetzt und dennoch war mein Empfinden komplett ein anderes. Es sind somit nicht die Anstöße von aussen, die meine Gefühle verursachten, sondern meine Gefühle entstanden dadurch, wie ich diese Impulse wahrgenommen, eingeordnet und schliesslich darauf reagiert habe.
Noch ein weiteres Beispiel: Wenn ein Kollege schlecht über mich redet, dann fühle ich mich in der Regel verletzt und ärgerlich - „und er ist schuld daran, dass ich mich so fühle“. Jedoch ist die Tatsache, dass er über mich geredet hat, nicht ursächlich dafür verantwortlich, dass ich mich aufrege. Wenn ich es nie erfahren hätte, hätte ich mich nicht aufgeregt. Auch hier zeigt sich, dass meine Gefühle hauptsächlich von mir abhängen bzw. davon, wie ich Ereignisse interpretiere und darauf reagiere. Eigentlich müsste ich mich nicht schlecht fühlen, wenn jemand garstig über mich redet, auch wenn ich es erfahre. Ich kenne Personen, die bleiben bei so etwas vollkommen ruhig, denen ist das ganz egal. Die Reaktion hängt also von mir ab und ist somit auch durch mich beeinflussbar.
Zugegeben, Ereignisse von aussen oder Verhaltensweisen von anderen können wir schlecht kontrollieren. Aber wir können unsere Wahrnehmung, Interpretation und Reaktion darauf steuern, ändern und trainieren - wenn wir das wirklich wollen.
Eigenverantwortung zu übernehmen ist sehr wichtig, wenn wir unser Leben selbst bestimmen wollen. Und Verantwortung für unsere Gefühle zu übernehmen, ist in diesem Zusammenhang von besonderer Bedeutung, wie ich immer wieder einmal selber erfahre.
Bis bald
Stephan Arnold
EQ-Blog@iek.ch
Herzlich willkommen auf unserem EQ-Blog. In regelmässigen Abständen veröffentlichen wir verschiedene Beiträge rund um das Thema emotionale Kompetenz. Es sind Anregungen zum Thema „Bedeutung von und Umgang mit Emotionen in der Arbeitswelt“. Die Palette der Inhalte ist breit gewählt – von erkenntnistheoretischen Reflexionen und eher wissenschaftlich orientierten Beiträgen über anschauliche Praxisberichte aus dem iek bis hin zu witzigen Episoden aus dem ganz normalen Alltag.