Während früher das allgemeine Führungsverständnis
auf dem alleinigen Glauben an die reine Rationalität basierte, beschäftigt man
sich seit einigen Jahren vermehrt auch mit emotionalem Management. Doch meist
geht es dabei um schöne und positive Begriffe wie Empathie, Teamorientierung
und soziale Rücksichtnahme. Über „negative Emotionen“ spricht man lieber nicht.
Doch genau dies könnte sich als grosser Fehler erweisen.
Betrachtet man Diskussionen auf Managementkongressen, Fachvorträge auf HR-Messen oder Posts auf Businessplattformen, so entsteht zuweilen der Eindruck, als ginge es bei der Führungskräfteentwicklung in erster Linie darum, eine Schar von sanften Lämmern heranzuzüchten, die sich vor allem um das körperliche und psychische Wohlbefinden ihrer Mitarbeitenden sorgen. Harmonie, Gemeinschaft und Selbstverwirklichung sind stets gern gehörte Begriffe, die nicht mehr hinterfragt werden und überall hoch im Kurs sind. Man arbeitet daran, dass Motivation, Spass und Konsens durch Win-win-Lösungen in Einklang gebracht werden und übersieht dabei leicht, dass die Welt leider nur sehr selten genau so ist, wie wir sie uns vielleicht wünschen.
All unseren
Bemühungen zum Trotz finden wir in Unternehmen nämlich nicht ausschliesslich
nur „gute Gefühle“ vor. Organisationen sind immer auch Orte, in denen
„schlechte Gefühle“ wie Neid, Konkurrenz, Unmut und Wut auftauchen. Solche
„emotionalen Gewitter“ können schon mal für etwas Schrecken sorgen und uns in
unserer friedvollen Harmonie stören. Doch ist dies wirklich so schlimm? Wenn
wir dies als Mangel und Defizit erleben, dann vielleicht deshalb, weil wir das
Vorhandensein von negativen Emotionen als Misserfolg werten – als Misserfolg
beim Versuch, unser Selbstverwirklichungsprojekt mit den richtigen Methoden
umzusetzen. Dabei verkennen wir jedoch, dass auch Aggressivität seinen festen
Platz im Management haben sollte. Sie ist nicht wegzudenken und auch nicht
wegzuwünschen. Denn sie muss sich nicht zwangsläufig als negative und zerstörerische
Kraft zeigen, sondern kann sich auch als aufbauende und vorantreibende Energie
erweisen. Dann ist Aggressivität sogar unbedingte Voraussetzung für Leistung
und Erfolg. Dieser Gedankengang wird noch deutlicher, wenn wir uns der Frage
zuwenden, was Aggressivität eigentlich genau ist und wie sie wirkt. Zunächst
ist Aggressivität einmal die Bereitschaft zu angriffslustigem Verhalten –
erlebbar auf gedanklicher und sprachlicher Ebene sowie auch im Verhalten. Die
Aggressionsforschung hat Aggressivität darüber hinaus aus zwei Perspektiven
untersucht. Mehr dazu im nächsten Blog.
Bob Schneider