Kennen Sie diese ärgerlichen Momente, in denen alle Versuche, Kindern ein Minimum an Kooperationsbereitschaft abzuringen, genau das Gegenteil bewirken? Befragt man eine repräsentative Auswahl von Müttern, so klagt immerhin gut die Hälfte über das Sozialverhalten ihrer Sprösslinge. Der Nachwuchs will nichts abgeben, gebärdet sich rabiat, aggressiv oder aber ängstlich, eigenbrötlerisch und schüchtern.
Mag sein, dass Erwachsene manchmal zu früh zu viel erwarten. Phasen von Besitzgier, von Fremden- und Trennungsangst, Trotz- und Wutanfällen inklusive körperlicher Aggressivität gehören zur normalen kindlichen Entwicklung. Von sozial auffälligem Verhalten kann also in obigem Fall nicht die Rede sein – sofern dieses nicht die Regel ist. Aber wie werden Kinder sozial kompetent? Die Grundlage für den Erwerb sozialer Kompetenzen wird – so meinen die ExpertInnen - bereits in frühester Kindheit gelegt, nämlich, wenn sich Mutter oder Vater (oder nahe Bezugspersonen) tagtäglich liebevoll mit dem Baby befassen. Damit Sie aber als Eltern nicht gleich wieder ein schlechtes Gewissen kriegen: Die ExpertInnen sagen auch, dass nicht automatisch die Eltern "schuld" sind, wenn ein Kind soziale Regeln ignoriert. Mitunter können genetisch bedingte Störungen sowie eine lange Reihe von Risikofaktoren dafür verantwortlich sein, dass Kinder die Gefühle anderer schlecht deuten können.
Grundsätzlich lernen Kinder aber durch Kennenlernen der eigenen emotionalen Welt, d.h. durch erkennen und ‚zuordnen lernen‘ von eigenen Emotionen. Weiter durch sich-in-den-anderen-reinversetzen (Perspektivenwechsel) und durch erlernen von Lösungsstrategien in sozial schwierigen Situationen (wie bspw. Konflikten). Die Eltern (bzw. nahe Bezugspersonen) des Kindes dienen im Laufe der Entwicklung sowohl als Modell als auch als "Spiegel des Selbst des Kindes". Sie lehren das Kind mit schwierigen Verhaltensweisen umzugehen und welche Regeln im sozialen Kontext gelten; sie spiegeln dem Kind, wie es ist und wie sein Verhalten auf andere wirkt. Dass man sich dabei als Eltern x-fach wiederholen muss, scheint mühsam aber unabdingbar zu sein: "Es ist wichtig, dass Erwachsene den Kindern immer wieder Feedback und Anleitung beim Umgang miteinander geben, auch wenn man das Gefühl hat, sich zum hundertsten Mal zu wiederholen", meint der Psychologe Franz Petermann*.
Nochmals zurück zu der weiter oben geschilderten Situation: Viele Eltern sind der Meinung, dass sie bspw. bei Konflikten nicht eingreifen dürfen, nach dem Motto: Die Kids müssen das unter sich regeln. "Das funktioniert nicht", widerspricht der Psychologe. Gerade die Kleineren seien damit emotional überfordert. Je jünger das Kind, desto unmittelbarer müssen Erwachsene vielmehr beim Verstoß gegen soziale Regeln reagieren. "Kinder brauchen die Orientierung – sie wollen immer wieder wissen: Ist das jetzt gut oder schlecht? ". Die Eltern nehmen in diesem Sinn eine wichtige Rolle bei der Herausbildung des Selbstverständnisses und des Selbstwertes des Kindes ein. Qualitäten, die eine zentrale Rolle spielen in Bezug auf die Kompetenz, sich in sozialen Kontexten bewegen zu können.
Wer ein paar weitere Tipps möchte, um seinem Nachwuchs soziale Fertigkeiten zu vermitteln, hier eine kleine Auswahl nach Empfehlungen von PsychologInnen der Universität Bremen:
Tipps für Eltern zur Förderung der sozialen Kompetenz bei Kindern
Ab dem Kindergartenalter:
- Erzählen Sie Ihrem Kind, wann Sie selbst froh, wütend oder traurig waren, und zeigen Sie ihm, wie Gefühle bei Ihnen aussehen und sich anhören.
- Fragen Sie Ihr Kind, wann es froh, wütend oder ängstlich war.
- Fragen Sie es, welche Möglichkeiten es gibt, ein Problem zu lösen.
- Lassen Sie Ihr Kind begründen, warum eine Lösung gut oder weniger gut ist.
- Spielen Sie gemeinsam gute Lösungsmöglichkeiten im Rollenspiel nach.
- Seien Sie ein Vorbild im Umgang mit anderen Menschen.
Ab dem Grundschulalter:
- Ermutigen Sie Ihr Kind, Konflikte in drei Stufen zu überdenken: Was ist eigentlich passiert?
- Was kann man dagegen tun (Ideen sammeln)? Welche Lösung ist am besten für alle Beteiligten?
- Fairness: Suchen Sie zusammen mit Ihrem Kind praktische Beispiele für die Regel: "Ich behandle dich so, wie ich selbst behandelt werden möchte."
- Regen Sie an, Verantwortung für eigenes Fehlverhalten zu übernehmen. Führen Sie für alle Familienmitglieder die 4-E-Methode ein: Eingestehen, Erklären (warum man sich so verhalten hat), Entschuldigen, Entschädigen ("Was kann ich tun, um das wieder gutzumachen? ").
Bis bald
Ursula Stalder
EQ-Blog@iek.ch
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*FRANZ PETERMANN leitet das Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation an der Universität Bremen