18.07.2012

Kopf oder Bauch? Wie entscheide ich mich richtig?

Soll ich ans Meer in die Ferien fahren oder in die Berge? Soll ich heute Abend ins Kino oder doch lieber essen gehen? Welche Hose ziehe ich morgen an, die schwarze oder die blaue?

Tagtäglich treffen wir hunderte von Entscheidungen. Nicht immer wissen wir, was im entscheidenden Moment richtig ist, aber wir gehen im Allgemeinen davon aus, dass dem Kopf (unserer Kognition) im Entscheidungsprozess eine tragende Rolle zukommt. Forschungsergebnisse weisen jedoch in eine andere Richtung. So gilt als erwiesen, dass Entscheide vorwiegend emotional gefällt werden - und dies in Sekundenschnelle - und dass erst nachträglich eine kognitive Erklärung gesucht wird, um den Entscheid für sich selber und die anderen nachvollziehbarer zu machen.

Wenn  Ihnen ein „Motivationsguru“ allerdings sagt: «Folge einfach deinem Bauch! Der Bauch hat immer Recht!», dann sollten Sie diesem Rat nicht unbedingt um jeden Preis folgen. So kommt es darauf an, wie wir bei Entscheidungen die beiden Ebenen Verstand und Bauchgefühl in Einklang bringen. Die somatischen Marker* helfen bei der Vorbewertung verschiedener Handlungsoptionen, und sie verleihen ein Gefühl der Sicherheit, der Ruhe nach einer Entscheidung.  Es geht darum, zu spüren was für uns gut ist. Ohne den Verstand, der abwägt und Szenarien entwirft, geht es aber nicht.

Gut entscheiden bedeutet auch, die richtigen Fragen zu stellen. Jemand fragt sich vielleicht alle paar Jahre, ob er den gut dotierten Job kündigen und es doch noch als Musiker versuchen sollte. Hilfreicher wäre hierbei möglicherweise die Frage, wie es ihm gelingt, seine unerfüllten Bedürfnisse in seinen Alltag zu integrieren. So kommen wir weg vom Entweder-oder-Schema. Das Beispiel zeigt, wie Bauchgefühl und Verstand sich ergänzen können. Das Bauchgefühl rät dem Mann vermutlich dazu, den Versicherungsjob zu kündigen, sich mit dem Saxofon auf die Strasse zu stellen und darauf zu hoffen, das Universum trage ihn und fülle den Hut mit Geld. Der Verstand gibt ihm die Möglichkeit, eine vernünftige Strategie zu entwickeln, zum Beispiel das Pensum auf 80 Prozent zu reduzieren und einmal pro Woche in einem Jazz-Keller zu spielen.

Oftmals  haben wir auch Angst, die Weichen falsch zu stellen, und vergessen dabei, wie viele Zufälle unser Leben prägen. Der Mensch überschätzt systematisch die Planbarkeit seiner Existenz und damit auch die Konsequenzen seiner Entscheidungen. Wir erliegen viel zu sehr einer Kontrollillusion und glauben, es gebe eine richtige Entscheidung, die wir um jeden Preis finden müssen. Dabei wissen wir kraft unseres Verstandes: Was richtig oder falsch ist, zeigt sich immer erst im Nachhinein.

Man kann die Güte seiner Entscheidungen aber definitiv erhöhen, wenn man sowohl auf seinen Bauch als auch auf seinen Kopf hört. Emotionen sind für gute Entscheidungen also unentbehrlich! Und schon sind wir wieder beim Thema emotionale Kompetenz. Ohne die geht also auch bei Entscheidungen nichts.






Ich habe mich dieses Jahr für das Meer und die toskanischen Hügeln entschieden … schöne Ferien allerseits! :-)


Ursula  Stalder

*Ein somatischer Marker ist eine den Körper betreffende Wahrnehmung. Dabei können alle Körperempfindungen als somatische Marker fungieren. Somatische Marker lenken die Aufmerksamkeit entweder auf ein positives oder negatives Erlebnis, “das eine bestimmte Handlungsweise nach sich ziehen kann.” (Damasio 1997, S. 237). Auf diese Weise nehmen wir eine Körperempfindung zum Beispiel als intuitives Start- oder Stoppsignal bezüglich einer bestimmten Entscheidung wahr.

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