Bevor ich mit meiner kleinen Geschichte beginne, vielleicht noch folgende Vorbemerkung: Ich glaube von mir sagen zu können, dass ich vermutlich ein durchschnittlich kritischer Kunde bin – also weder gleich sofort mit allem zufrieden noch ein „ewiger Stänkerer“, dem man es ohnehin nie recht machen kann.
Neulich fuhr ich also mit der Bahn im Auto-Nachtzug von Lörrach nach Hamburg. Bei der Inanspruchnahme dieser Dienstleistung (der DB übrigens, nicht der SBB) gab es nun einige Punkte, die mich als Kunden in der Tat hätten unzufrieden machen können: Abgesehen vom extrem hohen Preis (für das gleiche Geld könnte man mindestens 4 mal dieselbe Strecke mit dem Flugzeug zurücklegen) waren es, kurz zusammengefasst, folgende Mängel, die man hätte beanstanden können:
Die Kabine war derart klein, dass sich die Reisenden (zwei erwachsene Personen und ein Hund) unmöglich einigermassen normal darin hätten bewegen können. Die Klimaanlage verursachte entweder eine unangenehme Kühle oder dann gleich eine unausstehliche Hitze. Etwas dazwischen war anscheinend nicht möglich. Der Liegeplatz war derart hart, dass einem am andern Morgen alle Knochen weh taten. Das Frühstück bestand primär aus schlechtem Kaffee und alten Brötchen. Schliesslich war auch das Wetter bei unserer Ankunft am frühen Morgen in Hamburg nicht unbedingt dazu angetan, um uns in besonders gute Stimmung zu versetzen. Es regnete nämlich in Strömen bei knapp 10 Grad – und dies im Juni! So weit so gut.
Wer nun allerdings denkt, dass ich auf dieser Reise besonders gelitten hätte oder sonst in irgend einer Weise unzufrieden war, der hat die Rechnung ohne den Wirt – bzw. ohne den Zugbegleiter der Deutschen Bahn gemacht! Es war ein älterer freundlicher Mann, der uns auf dieser Reise bediente. Vermutlich war dies nicht eine Tätigkeit, die er schon sehr lange ausübte – eher so eine Art Arbeitslosenprojekt, dachte ich mir. Er war denn auch nicht besonders geschickt, sondern verwechselte manchmal die einzelnen Kabinen und verspätete sich dadurch ein bisschen beim Service. Auch die Um-Montage der Abteile in eigentliche Liegeplätze (wozu offiziell nur der Zugbegleiter berechtigt war – aber eben, der konnte das auch nicht richtig) schien ihm einige Mühe zu bereiten, so dass er dies nicht immer auf Anhieb schaffte und es einige Zeit dauerte, bis alle Reisenden für die bevorstehende Nacht die“ Liegepositionen“ einnehmen konnten.
Doch seine rundum sehr freundliche Art, sein überaus charmantes Lächeln und seine innere Ruhe und Zufriedenheit, die er trotz all der widrigen Umstände ausstrahlte – all dies bewirkte ein kleines Wunder. Durch seine grosse Authentizität und sein glaubwürdig gezeigtes Bemühen, alles in seiner Macht stehende zu tun, um uns die Reise so angenehm wie nur immer möglich zu gestalten, gelang es ihm irgendwie, eine positive Stimmung zu kreieren. Niemand wurde wirklich ungeduldig, alle hatten irgendwie Verständnis. Wo gibt es denn heutzutage noch so etwas? Eine Oase voller Gelassenheit und gegenseitigem Respekt. Man verzieh ihm die alten Brötchen genauso wie man Verständnis aufbrachte für seine offensichtlichen fachlichen Unzulänglichkeiten. Da war einfach jemand, der ehrlich darum bemüht war, seinen Kunden um jeden Preis ein gutes Gefühl zu vermitteln. Darin war er sensationell gut und konsequent. Seine Zufriedenheit war einfach ansteckend. Er schaffte es schliesslich auch, mich auf angenehme Art daran zu erinnern, dass es wichtigere Dinge im Leben gibt als frische Brötchen und guten Kaffee.
Und so standen wir dann nach der Ankunft in der Kälte im Hamburger Regen, warteten geduldig auf unser Auto und hofften, dass wir bei der nächstgelegenen Autobahnraststätte in Ruhe frühstücken konnten. Die Welt war für uns völlig in Ordnung.
Manchmal denke ich mir, dass solche Menschen für eine Firma im Wettbewerb um zufriedene Kunden weit mehr erreichen können als manche anderen – zweifellos gut gemeinten – Optimierungsmassnahmen.
Bob Schneider
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