Herzlich willkommen auf unserem EQ-Blog. In regelmässigen Abständen veröffentlichen wir verschiedene Beiträge rund um das Thema emotionale Kompetenz. Es sind Anregungen zum Thema „Bedeutung von und Umgang mit Emotionen in der Arbeitswelt“. Die Palette der Inhalte ist breit gewählt – von erkenntnistheoretischen Reflexionen und eher wissenschaftlich orientierten Beiträgen über anschauliche Praxisberichte aus dem iek bis hin zu witzigen Episoden aus dem ganz normalen Alltag.
12.06.2012
Geld und Geist
Schon Jeremias Gotthelf hat sich mit den materiellen Zwängen des Daseins beschäftigt und das Thema aufgegriffen, wie Geld und Geist nebeneinander bestehen können. Im Roman verliert der Bauer (Unternehmer) durch "eigenes Ungeschick " eine grosse Summe Geld. Der Verlust führt zu Verbitterung, Groll und Entfremdung in der Familie.
Finanzielle Verluste mit gravierenden Folgen für Wirtschaft und Familie hat es schon immer gegeben und wird es immer geben. Aber wenn früher die wirtschaftlichen Folgen noch überschaubar waren, nehmen heute die "ungeschickten" Handlungen Einzelner aufgrund der wirtschaftlichen Verflechtungen, der Organisation der Finanzmärkte und nicht zuletzt wegen der Globalisierung der Wirtschaft unheimliche Dimensionen an.
In den letzten Monaten haben mehrere renommierte Banken durch "eigenes Ungeschick", d.h. durch Finanztransaktionen oder Spekulationen einzelner Mitarbeiter, Milliardenverluste hinnehmen müssen. Die Nachricht hat die Finanzmärkte und das Vertrauen in die entsprechenden Häuser massiv erschüttert. Auch hier sind wohl Verbitterung, Groll und Entfremdung die Folge gewesen - allerdings weltweit und nicht nur im hinteren Emmental.
Ohne die Abläufe, genauen Hintergründe oder Mechanismen solcher Finanztransaktionen genau zu kennen, habe ich versucht mir vorzustellen, was einen Börsenhändler dazu führen kann - respektive was bei ihm emotional abläuft, wenn er mit ein paar Mausklicks mehrere Milliarden Dollars, Euros oder Franken in den Sand setzen kann. Ist es "eigenes Ungeschick", oder was steckt dahinter?
Solche Supermänner werden von den Bankinstituten mit Millionen belohnt, wenn sie am Markt besser sind als die anderen Teilnehmer und entsprechend Gewinne mit spekulativen Finanztransaktionen aller Art hereinholen. Entsprechend hoch sind die Erwartungen an und der Druck auf die Händler.
Börsianer stehen zum Teil im Sekundentakt im Wettbewerb mit tausend anderen, die sich an den Märkten tummeln und miteinander messen. Wie schafft man es, besser zu sein als die anderen Marktteilnehmer? Wie kommt man schneller zu besseren Informationen? Wie kann man schneller sein als die Konkurrenz und wie kann man schlicht und einfach cleverer sein als die anderen? Das bedeutet oft, dass man den nächsten Schritt der anderen erahnen muss, bevor dieser ausgeführt wird. Das ist gar nicht so einfach und führt zu schwierigen Entscheiden, die oft einen spekulativen Hintergrund haben.
Der Händler muss antizipieren, wie es am Markt weitergehen wird. In welche Richtung werden die anderen Marktteilnehmer tendieren? Dieser Gedankengang muss vorweggenommen werden. Wie muss ich mich positionieren, damit ich so entscheide, wie es die Mehrheit tun wird. Diese Marktmeinung richtig zu erahnen, ist das A und O an der Börse und entscheidet über Gewinn oder Verlust. Eigentlich ganz einfach, oder? Man muss von zwei verschiedenen Möglichkeiten nur die richtige auswählen. Gehe ich long, oder eher short? Dollar kaufen, oder verkaufen?
Neben viel fachlichem Know-how ist auch eine hohe emotionale Kompetenz notwendig, damit man sich beim Handeln nicht von Lust und Gier auf Gewinn verleiten lässt und dabei das Risiko eines Verlustes völlig ausblendet. Der Händler muss die Fähigkeit und Bereitschaft haben, bei Entscheidungen bewusst ein kalkuliertes Risiko einzugehen. Er darf sich aber nicht von allzu risikobehafteten Geschäften mit hohem Gewinnpotenzial verleiten lassen und muss fähig sein, bei seinen Entscheiden den Nutzen für die Stakeholder der Organisation und den langfristigen Unternehmensvorteil im Auge zu behalten. Das ist sicher nicht einfach, wenn der kurzfristige Gewinn mit horrenden Boni versüsst wird. Hier braucht der Händler sehr viel Charakter und in einem gewissen Sinne auch eine soziale Verantwortung, damit er bei seinen Entscheiden auch die längerfristigen ökonomischen und sozialen Folgen seines Handelns berücksichtigt. Nur so kann er im Markt auf Dauer bestehen.
Heute wie zu Jeremias Gotthelf's Zeiten müssen unternehmerische Entscheide mit Fach- und Sozialkompetenz getroffen werden. So können "eigenes Ungeschick" und wirtschaftliche Misserfolge am ehesten vermieden werden und Geld und Geist nebeneinander florieren.
Bis bald
Simon
EQ-Blog@iek.ch